Neurowissenschaftlerin: Psychisch Kranke nicht stigmatisieren
München – Die Neurowissenschaftlerin Elisabeth Binder hat beklagt, dass psychiatrische Leiden noch immer nicht als normale Erkrankungen angesehen werden. „Wir müssen endlich wegkommen von dieser Stigmatisierung der psychisch Kranken“, sagte die geschäftsführende Direktorin des Max-Planck-Instituts (MPI) für Psychiatrie in München der Süddeutschen Zeitung vom Samstag. Die Gesellschaft habe zu akzeptieren, dass psychiatrische Erkrankungen zu den häufigsten Leiden zählten. Sie wirkten sich besonders ungünstig auf die Lebensqualität aus und hätten noch dazu einen starken negativen Einfluss auf die gesamte Gesundheit der Patienten.
Mittlerweile gehe die Wissenschaft davon aus, dass Gene und Umwelt jeweils zur Hälfte das Seelenheil beeinflussten, erklärte Binder. Umweltfaktoren, die frühe Kindheit etwa, seien ganz wichtig. In den Anfängen der Genetik hätten manche noch geglaubt, gegen den Einfluss der Gene komme nichts an. Mittlerweile aber werde immer klarer, wie stark der gegenseitige Einfluss sei. Natürlich sei die Umwelt wichtig. „Aber wir gehen wegen unserer Gene mit unserer Umwelt unterschiedlich um. Und die Umwelt kann sogar unsere Gene verändern.“
Die dreifache Mutter hält auch die Trauma-Prävention für eine gesellschaftliche Aufgabe. Schließlich sei ein Trauma in der Kindheit ein wesentlicher Risikofaktor für die psychische Gesundheit. Das gleiche gelte für eine Schwangerschaft, in der die Mutter gestresst sei.
Weiter plädierte Binder dafür, dass das Kind in seinen ersten Lebensjahren zu seiner Mutter oder einer anderen Person eine enge Bindung aufbauen könne. Das gebe dem Kind Schutz. „Wir alle sollten dafür sorgen, dass diese Phase für die Kinder positiv ist, ruhig auch in einer Kinderkrippe“, so Binder. Langfristig könnten so viele negative Konsequenzen für die Gesundheit vermieden werden.
Die aus Wien stammende Binder studierte Medizin und Neurowissenschaften. Seit August 2013 ist die 42-Jährige Direktorin des MPI.
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