Nicht alle Menschen mit Leberverfettung sind krank

Wiesbaden – Die Prävalenz der Steatose der Leber steigt kontinuierlich. Derzeit kann man in Deutschland bei 25 bis 30 % eine Steatose der Leber beziehungsweise eine Nicht-alkoholischen Fettleber-Erkrankung (NAFLD) finden. Daher forderten mehrere Fachgesellschaften kürzlich in einem Positionspapier verstärkte gesundheitspolitische Anstrengungen.
Die Speicherung von Energie gehört aber auch zu den physiologischen Aufgaben der Leber. Der Kongresssekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) Simon Hohenester ist überzeugt, dass nicht jeder 4. mit einer diagnostizierten Leberverfettung tatsächlich krank ist.
Denn nicht jede Abweichung von der Norm sei mit einer Erkrankung gleichzusetzen, betonte der Oberarzt an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des LMU Klinikums München bei einer Kongresspressekonferenz der DGIM. Die Norm würde der Einlagerung von Fetttröpfchen in mehr als 5 % der Leberzellen entsprechen (siehe Kasten).
Die Steatose sei daher ein häufiger Zufallsbefund – eine sichere klinische Relevanz des Zufallsbefunds einer reinen Steatose sei derzeit nicht eindeutig belegt, erklärte Hohenester. Ein Screening der Allgemeinbevölkerung würde aufgrund der geringen klinischen Relevanz und des geringen Progressionsrisikos nicht empfohlen.
„Wie auch beim Bluthochdruck oder den Cholesterinwerten ist es eine medizinsich-wissenschaftliche Herausforderung, die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit zu definieren“, so der Münchner Arzt.
Lebererkrankung mithilfe von Risikoscores für eine Fibrose abschätzen
Die neue Leitlinie, die im April 2022 erschienen ist, macht deutlich, dass für die Abschätzung einer relevanten Lebererkrankung eine vorliegende Leberfibrose – der Vorstufe der Zirrhose – entscheidend ist. „Dieses Risiko sollte bei allen Patienten mit einer Steatose mithilfe etablierter Risikoscores abgeschätzt werden“, appelierte Hohenester an Ärztinnen und Ärzte.
Zeigt sich hierbei ein hohes Risiko für eine Fibrose oder ein intermediäres Risiko mit zusätzlicher Erhöhung der Serum-„Leberwerte“, sollte eine spezifische Diagnostik beim Gastroenterologen oder Hepatologen erfolgen. „Das Stadium der Fibrose ist der entscheidende Faktor für die Relevanz der NAFLD.“
Die im Fachbereich anerkannten Zahlen, die eine Maximalschätzung darstellen, gehen laut Hohenester von 0,6 % „Leberkranken“ aus, das heißt Patienten mit F3 / F4 Fibrose.
Im Positionspapier der Fachgesellschaften heißt es dazu: Die Zahl der Betroffenen mit Fettleber-bedingter Fibrose oder Leberzirrhose wird sich in den kommenden 10 Jahren in Deutschland etwa verdreifachen (von zirka 500.000 im Jahr 2015 auf 1,5 Millionen im Jahr 2030).
Trotzdem könne die NAFLD auch bei Lebergesunden ein metabolisches Warnsignal sein, betonte Hohenester. Ein Screening in Risikopopulationen sei wichtig, das heißt bei Patienten zum Beispiel mit Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas, arterieller Hypertonie, Hypertriglyzeridämie, Hypercholesterinämie oder metabolischem Syndrom.
Es könne mittels Ultraschall oder der Berechnung des „fatty liver index“ durchgeführt werden. „Bei diesen Risikopatienten muss der Befund einer Fettleber als Warnsignal behandelt werden“, ergänzte Hohenester.
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