Nordic Cochrane Center stellt Gesundheits-Check-up infrage

Kopenhagen – Der von vielen Ländern eingeführte Gesundheits-Check-up, der bei gesunden Menschen nach möglichen Krankheiten oder behandelbaren Risikofaktoren suchen, sind einer Meta-Analyse des dänischen Nordic Cochrane Centre zufolge nicht evidenzbasiert. Laut den im Cochrane Database of Systematic Reviews (2012; 10: CD009009) analysierten Studien gibt es keine sicheren Hinweise auf eine Senkung von Morbidität oder Mortalität. Die Check-ups belasten nach Ansicht der Autoren die Patienten durch unnötige Diagnosen.
Ein Gesundheits-Check-up wird heute in vielen Industrieländern angeboten. Am weitesten verbreitet sind sie vielleicht in Japan, wo die Regierung seit den 70er Jahren gezielt nach Krankheitsbildern sucht, die durch Früherkennung vermeidbar wären. Die Teilnahme an den Untersuchungen ist oft obligatorisch. Westliche Länder setzen auf Freiwilligkeit. Mit Erfolg: In den USA und in Kanada gehören Check-ups heute zu den häufigsten Gründen für einen Arztbesuch. In Deutschland gibt es seit 1989 den Gesundheits-Check-up35+, Großbritannien hat kürzlich eine allgemeine Vorsorge eingeführt.
Die meisten Gesundheits-Check-ups wurden ohne vorherige klinische Studie eingeführt. Auf ihrer Suche nach randomisierten klinischen Studien zu allgemeinen Gesundheits-Checks fanden Lasse Krogsbøll vom Nordic Cochrane Center in Kopenhagen und Mitarbeiter deshalb nur 16 Studien, wobei sich die Gruppe allerdings auf Studien beschränkte, in denen nach mehr als einer Erkrankung oder Risikofaktoren in mehr als einem Organsystem gesucht wurde. Sie schlossen zudem Untersuchungen an Patienten über 65 Jahren aus. Es ging um die Frage, ob Menschen, die sich kerngesund fühlen, eine Vorsorge angeboten werden soll.
Die Forscher fanden insgesamt 14 Studien mit 182.880 Teilnehmern. Die meisten Studien waren relativ alt: 14 wurden bereits vor 1980 begonnen, die jüngste startete bereits 1992. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Nachbeobachtungszeiten besonders lang wären. Sie lagen auch bei den Studien zum Einfluss auf die Mortalität nur bei 9 Jahren. Was möglicherweise zu kurz ist, um den Einfluss eines Gesundheits-Check-up zu Sehstärke, Körpergewicht Blutdruck oder Blut- und Harnanalysen (und den danach ergriffenen Maßnahmen) auf die Überlebenschancen zu messen.
Krogsbøll kann weder für die Gesamtsterblichkeit, noch für die Todesfälle an Herz-Kreislauf-Erkrankungen noch für Krebs eine Reduktion zeigen. Die Studien bleiben hier allerdings allgemein und analysieren die Daten nicht nach einzelnen Krankheitsbildern. Hinzu kommt, dass die vor 1980 zur Verfügung stehenden Interventionen in vielen Bereichen sicher nicht mit den heutigen Interventionen vergleichbar sind.
Dafür zeigt die Analyse eine unvermeidbare Folge von Gesundheits-Check-ups auf, die aus Sicht der Initianden zu den Zielen gehört: Die Zahl der Diagnosen steigt an: Krogsbøll extrahiert aus den Daten einen Anstieg von Hypertonien und Hypercholesterinämien und den daraus resultierenden Verordnungen an Medikamenten.
In einer Studie sei es zu einem Anstieg um 20 Prozent in der Gesamtzahl der Diagnosen über einen Zeitraum von sechs Jahren gekommen, beklagt Krogsbøll, der darin das Risiko einer Verunsicherung der Patienten sieht. Dies weisen die Untersuchungen allerdings ebenso wenig nach, wie sie keine Reduktion der Morbidität aufzeigen können.
Kritiker dürften einwenden, dass die fehlende Evidenz in veralteten Studien nicht mit dem Beweis einer Wirkungslosigkeit gleichzusetzen ist. Die Editorialisten Stephanie Thompson und Marcello Tonelli von der Universität von Alberta in Edmonton sehen deshalb keinen Anlass zum Nihilismus.
Selbstverständlich sollten Allgemeinmediziner bei ihren Patienten Vorsorgeuntersuchungen durchführen, wenn sie den Verdacht auf eine mögliche Erkrankung oder modifizierbare Risikofaktoren haben. Sie sollten bei Screening-Untersuchungen aber immer auch Alter, Geschlecht und eventuelle Risikofaktoren im Auge behalten, die die Suche nach der bestimmten Erkrankung sinnvoll erscheinen lassen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: