Obamacare wirkt sich auf die Brustkrebsdiagnostik aus

Chicago/Richmond – Das Hin und Her der Gesundheitsreformen hat in den USA unmittelbare Auswirkungen auf die Brustkrebsdiagnostik. Der Affordable Care Act (Obamacare) hat laut einer Studie in Cancer Epidemiology (2017; 49: 108-111) bereits in den ersten Jahren den Anteil der Tumore gesteigert, die in einem frühen Stadium entdeckt werden. Ein Rückzug des Staates Tennessee aus Zusatzleistungen, die über die Medicaid-Versorgung hinausgehen, hat dagegen zu einem Anstieg der Spätdiagnosen in den betroffenen ärmeren Bevölkerungskreisen geführt, wie eine weitere Studie in Cancer (2017; doi: 10.1002/cncr.30771) zeigt.
Der Affordable Care Act hat im Jahr 2011 die Zuzahlungen zur Mammographie abgeschafft, die vor allem Frauen aus Minderheiten in der Vergangenheit davon abgehalten hatte, an der Früherkennung teilzunehmen. Die Folgen des Gesetzes wurden sofort spürbar. Wie Abigail Silva von der Loyola University Chicago anhand einer Analyse der Krebsregister zeigt, stieg in den ersten drei Jahren seit Inkrafttreten des Gesetzes der Anteil der Mammakarzinome, die im Stadium 1 diagnostiziert wurden, von 54,4 Prozent auf 58,0 Prozent um 3,6 Prozentpunkte. In diesem Stadium ist Brustkrebs heute meistens heilbar. Der Anteil der Tumore in den Stadien 2 oder 3, in denen nur im begrenztem Maße oder keine Heilung mehr möglich ist, nahm entsprechend ab.
Zu einer besonders starken Zunahme der Frühkarzinome kam es bei den Afro-Amerikanerinnen und den Frauen mittelamerikanischer Herkunft (Latinas). Der Anteil der Frühkarzinome stieg in diesem beiden Gruppen um 4,0 beziehungsweise 4,1 Prozentpunkte. Aber auch weiße Frauen europäischer Herkunft gingen offenbar häufiger zur Früherkennung. Der Anteil der Frühkarzinome stieg in dieser Bevölkerungsgruppe um 3,2 Prozentpunkte.
Der jetzt von der Regierung Trump angekündigte Ausstieg aus dem Affordable Care Act wird voraussichtlich zu einem Anstieg der Spätdiagnosen führen. Ein Modell hierfür liefert das „TennCare“-Programm des US-Staates Tennessee. Der US-Staat hatte 1994 die staatlichen Medicaid-Leistungen für ärmere Bevölkerungsschichten deutlich ausgeweitet. Im Jahr 2005 wurde das Zusatzprogramm, das eine kostenlose Brustkrebsfrüherkennung beinhaltete, wieder gestrichen. Wie Wafa Tarazi von der Virginia Commonwealth University in Richmond und Mitarbeiter recherchiert haben, kam es daraufhin in den ärmeren Regionen von Tennessee relativ zu wohlhabenderen Gegenden zu einem Anstieg der Spätdiagnosen am Mammakarzinom um 3,3 Prozentpunkte.
Die Restriktion der Gesundheitsleistungen scheint aber Wartezeiten bei der Behandlung verringert zu haben, wovon auch Frauen in ärmeren Regionen profitierten. Der Anteil der Frauen, die länger als 60 Tage auf eine Operation warten mussten, verringerte sich um 1,9 Prozentpunkte. Bei den Wartezeiten von 90 Tage oder länger gab es einen Rückgang um 1,4 Prozentpunkte.
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