Medizin

Ösophagus- und Übergangskarzinom: Adjuvante Immuntherapie verlängert krankheitsfreies Überleben

  • Freitag, 25. September 2020
/nerthuz, stockadobecom
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Lugano/Köln – Maligne Tumoren des Ösophagus und des gastroösophagealen Über­gangs, die nicht metastasiert sind, werden nach Möglichkeit operiert, oft nach einer neo­adjuvanten Chemoradiotherapie. Patienten, bei denen damit keine pathologische Kom­plettremissioin erzielt wird, haben auch nach einer R0-Resektion ein hohes Rezidivrisiko und eine schlechte Prognose.

Beim virtuellen Kongress der European Society of Medical Oncology (ESMO) wurden Da­ten einer Phase-III-Studie vorgestellt, in der zum ersten Mal bei solchen Patienten mit einer adjuvanten Immuntherapie eine deutliche und statistisch signifikante Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens erreicht werden konnte (Kelly R et al. ESMO 2020, Abstract #LBA9_PR).

Die Therapie des nicht fernmetastasierten Adenokarzinoms von Ösophagus und gastro­ösophagealem Übergang erfolgt üblicherweise multimodal: Die S3-Leitlinien für Ösopha­gus- und Magenkarzinom empfehlen für T2-Tumoren eine perioperative Chemotherapie und für T3- sowie resektable T4-Ösophagus- oder Übergangstumoren, nicht jedoch für das Magenkarzinom, alternativ eine neoadjuvante Radiochemotherapie.

Das Rezidivrisiko ist aber auch nach einer solchen trimodalen Therapie erheblich, vor allem für Patienten, die nach der Chemoradiotherapie pathologisch noch Residuen von Primärtumor oder Lymphknotenmetastasen aufweisen, weshalb die Frage nach einer zusätzlichen adjuvanten Therapie im Raume steht.

Hierfür existiert kein etabliertes Procedere; da aber der PD-1-Checkpoint-Inhibitor Nivo­lu­mab beim vorbehandelten Plattenepithelkarzinom des Ösophagus (Kato K et al. Lancet Oncol 2019; 20: 1506-17; DOI: 10.1016/S1470-2045(19)30626-6) sowie bei Magen- oder Übergangskarzinomen (Kang YK et al. Lancet 2017; 390: 2461-71; DOI: 10.1016/S0140-6736(17)31827-5) das Überleben verbessert hat, wurde für Patienten im Stadium II/III die globale Phase-III-Studie CheckMate-577 aufgelegt (ClinicalTrials.gov NCT02743494).

In sie wurden, wie Ronan Kelly, Dallas, beim ESMO-Kongress berichtete, 794 Patienten mit R0-reseziertem Ösophagus- oder Übergangskarzinom der Stadien II oder III einge­schlossen, die zunächst eine neoadjuvante Chemoradiotherapie erhalten und vor der Ope­­ration eine pathologisch verifizierte residuelle Erkrankung (≥ ypT1 oder ≥ ypN1) auf­gewiesen hatten.

Sie wurden postoperativ im Verhältnis 2:1 randomisiert, den PD-1-Inhibitor Nivolumab oder Placebo zu erhalten. Nivolumab wurde maximal für ein Jahr gegeben und die ersten 16 Wochen alle zwei Wochen mit 240 mg und danach alle vier Wochen mit 480 mg do­siert. Rund 70 % der Tumoren waren Adenokarzinome, und fast 60 % der Patienten hatten bei Operation einen positiven Nodalstatus (≥ ypN1).

Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben, das deutlich und signifikant zu­guns­ten der adjuvanten Immuntherapie ausfiel: Der Medianwert war gegenüber dem Kon­trollarm verdoppelt (22,4 vs. 11,0 Monate; Hazard Ratio 0,69; p = 0,0003).

Die Kurven begannen bereits nach weniger als sechs Monaten, sich zu trennen und ver­laufen seither in konstantem Abstand, was für einen anhaltenden Effekt spricht. Ein sol­cher war in allen untersuchten Subgruppen zu sehen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Ethnizität, Allgemeinzustand, initialem Krankheitsstadium, Tumorlokalisation, Histologie, pathologischem Nodalstatus oder PD-L1-Expression.

Die Verträglichkeit war gut: Die Mehrzahl der therapiebedingten Nebenwirkungen war vom Grad 1 oder 2, Grad-3–4-Ereignisse traten nur bei 13 % der Nivolumab- versus 6 % der Placebo-Patienten auf. Zum Therapieabbruch wegen Toxizitäten kam es unter Nivo­lumab bei knapp 9 %, im Kontrollarm bei 3 % der Patienten.

Möglicherweise immunvermittelte Nebenwirkungen waren nahezu ausschließlich vom Grad 1 oder 2 und bei weniger als 1% der Patienten von höherem Grad. Der allgemeine Gesundheitszustand, mit dem EORTC EQ5D-3L-Fragebogen erhoben, unterschied sich über die 52 Wochen der Therapiephase nicht zwischen beiden Armen.

Diese Daten bedeuten zum ersten Mal seit vielen Jahren einen Fortschritt in der Therapie von Patienten deren Ösophagus- oder Übergangskarzinom nach einer neoadjuvanten Che­moradiotherapie in kurativer Absicht reseziert wurde, bei denen aber die Chemora­diotherapie zu keiner pathologischen Komplettremission geführt hat.

Die signifikante und klinisch relevante Verdoppelung der krankheitsfreien Zeit bezieh­ungs­weise die Reduktion des Risikos für Rezidiv oder Tod um 31 % bei guter Verträglich­keit und in allen Subgruppen dürfte dieses adjuvante Immuntherapie-Regime – eine Zu­lassung vorausgesetzt – zu einem neuen Therapiestandard in dieser Indikation machen.

jfg

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