Organisationen kritisieren wissenschaftliche medizinische Fachgesellschaften als zu industrienah

Berlin/Düsseldorf – Die Organisationen MEZIS „Mein Essen zahl’ ich selbst“ – Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte, Leitlinienwatch und Transparency Deutschland werfen den wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland vor, Interessenkonflikten zu verharmlosen und eine zu große Nähe zur Industrie zu pflegen. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) weist dies zurück.
Als Beleg für den Vorwurf zu großer Industrienähe verweisen die drei Organisationen auf zwei Stellungnahmen der AWMF zur Zusammenarbeit mit der Arzneimittelindustrie. „In beiden werden die gängigen Kooperationsformen von Medizinern mit der Industrie quasi als natürliche Symbiose dargestellt. Es wird verschwiegen, dass sich auch Nachteile für Patienten und Versicherte aus der finanziellen Verflechtung von Firmen, Ärzten und Fachgesellschaften ergeben können. Damit wird verschleiert, in welche Abhängigkeiten und Interessenkonflikte die Beteiligten geraten können“, so der Vorwurf.
Die AWMF bezeichnet in ihrer Stellungnahme zu den Vorwürfen Interessenkonflikte als „ein sensibles Thema, das eine differenzierte Betrachtung erfordert“. Die AWMF beschäftige sich seit vielen Jahren intensiv mit den unterschiedlichen Formen von Interessenkonflikten innerhalb der Medizin und sehe ihre Aufgabe darin, die Fachgesellschaften beim Umgang mit Interessenkonflikten zu unterstützen und gemeinsam verbindliche Regeln zu erarbeiten.
So habe die AWMF bereits im Jahr 2017 Empfehlungen zum Umgang mit Interessenkonflikten in der Leitlinienarbeit gegeben. Dabei erfolge die Erklärung von Interessen sowie das Offenlegen von Interessenkonflikten bei der Leitlinienerstellung nach einem klaren Regelwerk. Im Februar dieses Jahres habe die AWMF in Abstimmung mit der Bundesärztekammer (BÄK) stringente Regeln zur Qualitätssicherung wissenschaftlich basierter Fortbildungen und zur Sicherung einer inhaltlich von Sponsoren unabhängigen Durchführung von Kongressen veröffentlicht. Dadurch habe sie den Fachgesellschaften eine klare Handreichung zum Umgang mit möglichen Interessenkonflikten in der ärztlichen und zahnärztlichen Fortbildung gegeben.
Die drei Organisationen fordern aber weitergehende Regelungen. „Die Erfahrung zeigt, dass etablierte Institutionen sich schwertun, bestehende materielle Abhängigkeiten einzugestehen. Deshalb regen wir eine öffentliche Debatte an. Freiwillige Verhaltensvorschriften reichen erfahrungsgemäß nicht aus. Stattdessen sind gesetzliche Regelungen erforderlich“, hieß es.
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