Orthopäden und Unfallchirurgen fordern geschlechtsspezifische Prävention

Berlin – Die Zahl der Verletzungen von Frauen durch Sportunfälle oder Stürze ist in den vergangenen Jahren mit fast 20 Prozent deutlich stärker gestiegen als bei Männern mit nur 10 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Untersuchung der AOK Baden-Württemberg und des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Orthopäden und Unfallchirurgen fordern nun Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen.
Um die Verletzungsraten bei Männern und Frauen zu ermitteln, haben die AOK Baden-Württemberg, das Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universität Mannheim, das Sportinstitut der Universität Karlsruhe und der BVOU Daten von 3,8 Millionen Versicherten aus den Jahren 2008 bis 2013 ausgewertet und analysiert.
Während dieses Zeitraums begab sich jeder zehnte Versicherte wegen einer Verletzung in ärztliche Behandlung. Vor allem Knieverletzungen haben zugenommen, wie die Analyse zeigt: Bei den Frauen lag der Anstieg mit fast zehn Prozent dabei doppelt so hoch wie bei den Männern. „Insgesamt liegt die Verletzungsrate am Knie bei den Männern noch höher“, sagte BVOU-Präsident Johannes Flechtenmacher. Die dramatische Zunahme bei den Frauen sollte jedoch Anlass geben, insbesondere Patientinnen besser über Verletzungsrisiken aufzuklären.
Bei jungen Männern und Frauen sind Sportunfälle der häufigste Grund für eine Verletzung – vor allem beim Skifahren, so die Ansicht des Experten: Die Fallzahl der Kniebandverletzungen bei Frauen lag zur Skisaison jedes Jahres um fast 30 Prozent höher als im Jahresmittelwert. „Falscher Ehrgeiz und Risikobereitschaft führen oft dazu, dass junge Menschen ihre Fitness überschätzen und stürzen“, so Flechtenmacher. „Wir brauchen Konzepte, um ein Bewusstsein für gesunden Sport zu schaffen, und Trainingsmethoden, um geschlechtsspezifische Schwachstellen zu stärken.“
Knochenbrüche im Kniebereich kommen bei beiden Geschlechtern etwa gleich häufig vor. Während Männer aber in jedem Alter gleich häufig einen Bruch erleiden, nimmt das Risiko bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr um das Siebenfache zu. Grund dafür ist eine geringere Knochendichte nach den Wechseljahren, mit der ein höheres Sturzrisiko einhergeht. Auch die Gefahr für einen Bruch an der Hüfte oder am Oberschenkelhals steigt mit zunehmenden Alter: Die European Association of Orthopaedics and Traumatology erwartet, dass sich die Zahl der Brüche in diesem Bereich bis 2050 verdoppeln wird. „Um zu verhindern, dass immer mehr ältere Menschen durch eine Verletzung ihre Selbstständigkeit verlieren, brauchen wir bessere Methoden zur Früherkennung der Osteoporose und zur Sturzprophylaxe“, forderte Flechtenmacher.
Er mahnte, dass Ärzte das Geschlecht der Patienten bei der Behandlung nicht mehr außer Acht lassen dürften. Man müsse zudem „an geschlechtsspezifischen Präventions-, Behandlungs- und Rehabilitationskonzepten arbeiten“, ergänzte Manfred Neubert, Kongresspräsident des DKOU 2016.
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