Medizin

Ovarialkarzinome: Entstehen seröse Karzinome im Eileiter?

  • Mittwoch, 25. Oktober 2017

Baltimore - Eine evolutionäre genetische Analyse von sieben metastasierten Ovarialkarzinomen aus der Gruppe der HGSC-Karzinome, der häufigsten Variante des Eierstockkrebs, bestätigt jüngste Vermutungen, nach denen viele Tumore ihren Ursprung in den fransenförmigen Ausläufern des Eileiters haben. Die in Nature Communications (2017; 8: 1093) vorgestellten Ergebnisse könnten weitreichende Folgen für die Diagnose und die Therapie des Tumors haben, der in der Regel erst im Spätstadium entdeckt wird.

Ovarialkarzinome werden heute nach ihrer Malignität in Typ I und Typ II unterschieden. Unter den Typ II-Karzinomen bilden die „high-grade“ serösen Ovarialkarzinome (HGSOC) die Hauptgruppe. Auf sie entfallen drei Viertel aller Ovarialkarzinome. Die HGSC werden meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt, in dem auch die Eileiter befallen sind. Lange ging die Forschung davon aus, dass die HGSC im Oberflächenepithel entstehen. 

Diese Ansicht wird in Zweifel gezogen, seit sich viele Trägerinnen der Brustkrebsgene BRCA1/2, die auch das Risiko auf Ovarialkarzinome erhöhen, prophylaktisch die Eierstöcke und meistens auch die Eileiter entfernen lassen. Dabei werden häufig Vorläufer-Läsionen des HGSOC in den Fimbrien der Eileiter gefunden. Könnte es sein, dass HGSOC gar nicht in den Ovarien, sondern im Eileiter entstehen?

Ein Team um Victor Velculescu vom Kimmel Cancer Center in Baltimore ist der Frage jetzt in einer sogenannten evolutionären Analyse der Tumore von fünf Patientinnen nachgegangen, deren Tumore bereits in verschiedene Orte des Bauchraums gestreut hatten. Außerdem wurden die Eileiter von vier Frauen mit BRCA1/2-Mutationen untersucht, die prophylaktisch entfernt wurden und bei denen Vorläufer-Läsionen des HGSOC gefunden wurden. 

Die evolutionäre Analyse geht von der Annahme aus, dass sich Krebstumore im Verlauf der Zeit genetisch verändern. Sie häufen dabei Mutationen an und manchmal gehen auch Chromosomen oder Teile davon verloren. Aus der Zahl der Mutationen kann auf das Alter geschlossen werden. Dadurch lässt sich der Primärtumor identifizieren und ein Stammbaum des Tumors und seiner Metastasen aufstellen. Es lässt sich sogar der zeitliche Abstand zwischen dem Primärtumor und der Bildung der Metastasen ermitteln.

Die Analyse ergab, dass bei allen fünf Patientinnen die Krebserkrankung ihren Ausgang als STIC („serous tubal intraepithelial carcinoma“) in den Tuben nahm. Es dauerte dann zwischen 1,4 und 10,7 Jahre, bis die ersten Krebszellen sich im Ovar ansiedelten. Bis zur Entwicklung der Fernmetastasen vergingen dann im Durchschnitt nur noch zwei Jahre.

Die Untersuchung war technisch aufwändig. Zunächst mussten die Krebszellen fein säuberlich von gesunden Zellen getrennt werden. Dazu wurden die Krebszellen zunächst mit dem Onkogenprodukt p53 markiert und dann mit einem Laser isoliert. Zur evolutionären Analyse musste dann das gesamte Genom der einzelnen Tumorläsionen analysiert werden. Dies erklärt, warum die Forscher insgesamt nur neun Patientinnen untersuchen konnten.

Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl ist nicht sicher, dass sich die Ergebnisse auf alle HGSOC übertragen lassen. Sollte dies aber der Fall sein, würden sich wichtige klinische Konsequenzen ergeben. So sollte bei BRCA1/2-Trägerinnen, die sich vorsorglich die Eierstöcke entfernen lassen, auch die Tuben entfernt werden. Es könnte sogar sinnvoll sein, die Eileiter in einer früheren Operation vor den Eierstöcken zu entfernen (Salpingektomie gefolgt von einer Ovariektomie), was derzeit bereits in zwei randomisierten klinischen Studien der Universität Nijmegen und des M.D. Anderson Cancer Center in Houston untersucht wird.

Eine Salpingektomie könnte sich prophylaktisch auch bei Frauen anbieten, die sich sterilisieren lassen, was in der Regel nur durch eine Tubenligatur erfolgt (die Salpingektomie wäre auch zur Kontrazeption zuverlässiger). Interessanterweise hat eine frühere bevölkerungsbasierte Studie gezeigt, dass Frauen, die sich mittels einer bilateralen Salpingektomie sterilisieren lassen, später deutlich seltener an einem Eierstockkrebs erkranken als nach einer Tubenligatur (J Natl Cancer Inst. 2015; 107: dju410).

Bei Frauen, die sich wegen gutartiger Veränderungen den Uterus entfernen lassen, sollen zusätzlich eine Salpingektomie durchführen lassen (auf die Entfernung der Ovarien könnte auch bei postmenopausalen Frauen verzichtet werden). Ob diese Empfehlungen sinnvoll sind, müsste jedoch noch durch weitere Studien geklärt werden.

rme

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