Pädiatrie: Häufige Antibiotika-Behandlungen fördern Typ-1-Diabetes bei Mäusen

New York – Eine wiederholte kurzzeitige Behandlung mit Antibiotika, wie sie in vielen Ländern Kinder in den ersten Lebensjahren erfahren, hat in einem Mäusemodell des Typ 1-Diabetes in Nature Microbiology (2016; doi: 10.1038/NMICROBIOL.2016.140) das Auftreten der Erkrankung beschleunigt.
Das durchschnittliche US-amerikanische Kind erhält in den ersten zehn Jahren etwa zehn kurzzeitige Antibiotika-Behandlungen. Nach jeder Behandlung kommt es zu einer Störung der Darmflora, was Auswirkungen auf das Immunsystem haben könnte. Der Kontakt mit den Darmbakterien ist nach Ansicht vieler Immunologen von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung eines gesunden Gleichgewichts des Immunsystems.
Wird es, etwa nach häufigen Antibiotika-Behandlungen, nicht erreicht oder gestört, kann dies die Entwicklung von allergischen Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen fördern. Allergien sind durch eine unangemessene Reaktion auf Umweltreize (in Form von Antigenen aller Art) gekennzeichnet, bei Autoimmunerkrankungen kommt es zu einem Angriff auf körpereigene Zellen. Der Typ 1-Diabetes gehört zu den Autoimmunerkrankungen. Auslöser ist eine Zerstörung der Beta-Zellen des Pankreas durch das Immunsystem.
Ein Team um Martin Blaser vom Langone Medical Center der New York University hat den Einfluss von häufigen Antibiotikabehandlungen jetzt an der NOD-Maus (für „Non-Obese Diabetic“) untersucht. Diese Tiere haben ein genetisches Risiko, an einem Typ 1-Diabetes zu erkranken. Forscher benutzen die Tiere häufig, um die Entwicklung der Erkrankung zu studieren. Blaser ließ die Tiere in der ersten Lebensphase wiederholt mit den gleichen Antibiotika behandeln, die häufig von Kinderärzten eingesetzt werden. Auch die Dosis wurde an die klinischen Gebräuche angepasst.
Ergebnis: 53 Prozent der Tiere erkrankten am Typ 1-Diabetes, in einer Kontrollgruppe ohne Antibiotika-Behandlung waren es nur 26 Prozent. Interessanterweise kam es nur dann zur Häufung der Erkrankungen, wenn die Tiere wiederholt über kurze Zeit hochdosiert mit Antibiotika behandelt wurden. Eine kontinuierliche Behandlung mit Antibiotika in niedriger Dosierung hatte keine Auswirkungen.
Da unter dem Einfluss der Antibiotika Darmbakterien absterben, liegt es nahe, den Einfluss auf das Diabetesrisiko in der Darmflora zu suchen. Unter den Darmbakterien sind potenzielle Krankheitserreger und zu den Aufgaben des Immunsystems gehört es, das Eindringen dieser Bakterien in die Schleimhaut oder sogar in den Blutkreislauf abzuwehren.
Dabei ist eine Feinabstimmung nötig, denn ein Angriff auf Bakterien, die für den Körper nützlich sind (da sie bei der Verdauung helfen), wäre ungünstig. Diese Aufgabe fällt den regulatorischen T-Zellen zu. Die Forscher haben deshalb untersucht, ob die häufigen Antibiotika-Behandlungen hier eine Auswirkung haben. Tatsächlich wurden in den Lymphdrüsen der Lamina propria unterhalb der Schleimhaut weniger regulatorische T-Zellen gefunden, wenn die Tiere vorher häufiger mit Antibiotika behandelt worden waren. Auch die Konzentration von TH17-Zellen, die ebenfalls mit der Entwicklung von allergischen und autoimmunen Erkrankungen in Verbindung gebracht werden, war vermindert.
Dies allein beweist allerdings nicht, dass die falschen Bakterien im Darm einen Typ 1-Diabetes auslösen können. Ein weiteres Glied der Beweiskette sollte die Übertragung der Darmflora von mit Antibiotika behandelten Tieren auf andere NOD-Mäuse sein, die keimfrei aufgezogen wurden und deshalb noch keine Darmflora entwickelt haben. Die Erwartung von Blaser war, dass diese Tiere dann an einem Typ 1-Diabetes erkranken. Dies war allerdings nicht der Fall.
Weitere Lücken der Beweiskette bestehen darin, dass die meisten Experimente nur mit männlichen Tieren gelangen, nicht aber mit weiblichen. Es fehlen auch Untersuchungen, die den Mangel an Th17-Zellen und regulatorischen T-Zellen mit dem Auftreten von Insulin-Antikörpern in Verbindung bringen. Diese Antikörper sind bei vielen Menschen, die später an einem Typ 1-Diabetes erkranken, bereits in den ersten Lebensjahren nachweisbar. Erst Jahre später kommt es zum vernichtenden Angriff auf die Beta-Zellen.
Die Untersuchung von Blaser kann deshalb nicht beweisen, dass die Antibiotika-Behandlung für die Entwicklung des Typ 1-Diabetes verantwortlich ist. Auch die Hinweise aus den epidemiologischen Studien sind nicht eindeutig. Einige Studien zeigten, dass Kinder, die in den ersten Lebensjahren mit Antibiotika behandelt wurden, häufiger an Typ 1-Diabetes erkranken, es gibt jedoch auch Untersuchungen, nach denen das Gegenteil der Fall ist, wie Blaser berichtet.
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