Pädophile Neigung führt nicht zwangsläufig zu sexuellem Kindesmissbrauch

Berlin – Pädophile Männer lassen sich von Nicht-Pädophilen anhand von Hirnaktivierungen durch unterschiedliches Stimulusmaterial unterscheiden. Dieser Befund allein lässt aber nicht auf eine verminderte Verhaltenskontrolle aller Pädophilen schließen. Diese neuen Ergebnisse des NeMUP-Forschungsverbunds deuten allerdings darauf hin, dass Männer mit pädophiler Neigung, die zum Täter werden, charakteristische neurobiologische Veränderung aufweisen. Das ist eines der wichtigsten Ergebnisse einer dreijährigen Studie, die Vertreter des Forschungsverbundes heute in Berlin der Presse vorstellten.
NeMUP steht für Neural Mechanisms Underlying Pedophilia und ist der Name eines Forschungsverbunds, zu dem sich Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover, der Charité Berlin, der Universität Duisburg-Essen, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Otto-von Guericke-Universität Magdeburg zusammengeschlossen haben. Seit Mai 2012 haben die Wissenschaftler 240 pädophile Männer untersucht, von denen ein Teil Kinder sexuell missbraucht hatte, ein anderer aber nicht, sowie Kontrollprobanden ohne pädophile Neigung. Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt kooperierte auch mit dem Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“.
„Die Erkenntnisse der dreijährigen Forschungsarbeit bestätigen unsere These, dass eine pädophile Neigung nicht gleichzusetzen ist mit sexuellem Kindesmissbrauch. Pädophilie ist ein besonderer Zustand im Gehirn, der nicht pathologisch ist, sondern eine bestimmte sexuelle Neigung“, erläuterte Klaus Beier, Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité Berlin. Es gebe im Gehirn eigene Regionen, die für die Verhaltenskontrolle zuständig seien. Diese seien für die Risikoeinschätzung von besonderem Interesse. „Nach unseren Erkenntnissen aus dem Behandlungsprogramm des Projekts ‚Kein Täter werden‘ müssten diese Regionen beinflussbar sein“, erläuterte Baier. Das biete gute Aussichten für eine Objektivierbarkeit von Therapieeffekten durch neurobiologische Marker.
„Pädophile, die zum Täter wurden, waren im Durchschnitt sechs Jahre älter als Pädophile, die keine Kinder missbraucht hatten“, berichtete Tillmann Krüger, Oberarzt an der Medizinischen Hochschule Hannover. Viele litten an Depressionen und Angststörungen. Auch die Rate derjenigen mit Persönlichkeitsstörungen und sexueller Dysfunktion war erhöht. „Die meisten hatten keine einfache Lebensgeschichte und waren in der Kindheit emotionaler Vernachlässigung ausgesetzt“, erläuterte Krüger.
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