Pansklerotische Morphea: Gendefekte weisen auf lebensrettende Therapie hin

San Diego – US-Mediziner haben die Ursache der pansklerotischen Morphea, einer katastrophalen Variante der Sklerodermie, entdeckt und dabei eine Behandlung gefunden, die den Patienten möglicherweise das Leben rettet.
Die Erkrankung ist einem Bericht im New England Journal of Medicine (2023; DOI: 10.1056/NEJMoa2202318) zufolge auf „Gain of Function“-Mutationen im Gen STAT4 zurückzuführen, die einen autoinflammatorischen Kreislauf starten, der sich durch eine Behandlung mit dem Jak-Inhibitor Ruxolitinib stoppen ließ.
Die pansklerotische Morphea beginnt häufig in der frühen Kindheit. Auf Haut und Schleimhäuten bilden sich Läsionen, die nicht abheilen. Allmählich verhärtet sich das Gewebe und es werden immer tiefere Bereiche in Bindegewebe, Muskeln und sogar der Knochen befallen. Die Erkrankung schreitet rasch fort, antientzündliche Medikamente erzielen nur eine schwache Wirkung und die Überlebenszeit der Patienten beträgt nach dem Beginn der Erkrankung weniger als 10 Jahre.
Wegen der initialen Läsionen wird die Erkrankung zum Formenkreis des Sklerodermie gezählt, obwohl bei den Patienten niemals Autoantikörper gefunden werden. Inzwischen geht die Forschung davon aus, dass die pansklerotische Morphea zu den autoinflammatorischen Erkrankungen gehört, bei denen das angeborene Immunsystem (das nicht mit Antikörpern arbeitet) auf normale Reize mit einer Überaktivität reagiert.
Nach den Ergebnissen, die ein Team um Lori Broderick von der Universität von Kalifornien in San Diego vorstellt, kommt es bei den Patienten zu einer sich selbst verstärkenden Spirale, die die Entzündung immer weiter vorantreibt.
Der Weg zur Entdeckung der Ursache führte über eine komplette Genomsequenzierung bei 4 Patienten mit pansklerotischer Morphea, von denen 2 Geschwister waren. Entdeckt wurden verschiedene Mutationen im Gen „Signal transducer and activator of transcription 4“ (STAT4). Es gehört zu den Genen, die die Aktivität anderer Gene beeinflussen, was breite Auswirkungen haben kann. So ist STAT4 an der Regulierung von Entzündungsreaktionen und der Wundheilung beteiligt.
Die Mutationen befanden sich bei den 3 Familien an unterschiedlichen Stellen des Gens, alle scheinen aber die Aktivität von STAT4 zu verstärken, weshalb sie als „Gain of Function“-Mutationen eingestuft wurden. Die Mutationen hatten eine deutlich gesteigerte Freisetzung von Interleukin 6 aus den Fibroblasten zur Folge.
Fibroblasten haben eine wichtige Funktion bei der Wundheilung. Sie wandern in die Wunde ein und bilden die Kollagenfasern, die die Wundränder zusammenziehen. Broderick und Mitarbeiter konnten in Laborexperimenten zeigen, dass diese Fähigkeiten durch die STAT4-Mutationen verloren gingen. Die Beweglichkeit der Fibroblasten war deutlich vermindert und die Kontraktion der Wundränder gelang nicht.
Die Blockade von Interleukin 6 (die etwa durch das Medikament Tocilizumab möglich wäre) hatte in den Experimenten jedoch nur geringe Auswirkungen. Die Forscher entschieden sich deshalb für ein Medikament, das weiter „stromaufwärts“ in die Signalkaskade der Entzündungsprozesse eingreift.
Der JAK-Inhibitor Ruxolitinib ist seit 2012 zu Behandlung von myelofibrotischen Erkrankungen zugelassen, bei denen eine Vermehrung des Bindegewebes im Knochenmark die Blutbildung behindert. Seit 2021 gibt es Ruxolitinib auch als Creme zur Behandlung der schweren atopischen Dermatitis.
Nachdem Labortests zeigten, dass Ruxolitinib die übermäßige Freisetzung von Interleukin 6 stoppt und die Wundheilung normalisiert, unternahmen die Mediziner bei den ersten beiden Patienten einen Behandlungsversuch. Sie entschieden sich dabei für das orale Präparat, um auch die Zellen in den tieferen Läsionen zu erreichen.
Bereits beim ersten Patienten kam es zu einer deutlichen Verbesserung. Wie Broderick berichtet, haben sich die Läsionen auf der Haut und in der Mundhöhle unter der Behandlung zurückgebildet. Neue Läsionen seien nicht aufgetreten. Auch die Blutwerte hätten sich normalisiert. Der Patient habe nach 18 Monaten alle anderen Medikamente abgesetzt. Bei dem 2. Patienten hat sich Broderick zufolge auch die pulmonale Hypertonie gebessert. Er benötige zwar weiterhin intravenöse Immunglobuline, konnte die Behandlungsintervalle jedoch verlängern.
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