Paracetamol: Kleine Packungsgrößen verhindern Suizide

Oxford – Eine Beschränkung der Abgabemenge von Paracetamol hat in Großbritannien zu einem deutlichen Rückgang der vollendeten Suizide geführt. Auch die Zahl der Lebertransplantationen ist laut einer Studie im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2013; 346: f403) gesunken.
In den 90er Jahren war die Zahl der vollendeten Suizide in England und Wales viermal so hoch wie in Frankreich. Den Grund für die Unterschiede vermutete Keith Hawton von Centre for Suicide Research der Universität Oxford schon früh in der leichteren Verfügbarkeit des Medikamentes. Während in Frankreich Paracetamol apothekenpflichtig war, und die einzelne Packung nicht mehr als 8 Gramm enthielt, konnten Briten das potenziell hepatotoxische Schmerzmittel in Apotheken lange Zeit praktisch in unbegrenzter Menge erhalten. Auch in Supermärkten wurden Packungen mit bis zu 12 Gramm frei verkauft.
In England und Wales kam es jedes Jahre fast zu 200 Todesfällen durch Paracetamol-Überdosierungen, wobei dies nur die Spitze eines Eisbergs ist. Paracetamol-Vergiftungen sind bei rechtzeitiger Diagnose gut zu behandeln. Mit N-Acetylcystein steht ein effektives Antidot zur Verfügung. Die Case-Fatality-Rate liegt weit unter einem Prozent. Auch die meisten in Deutschland gemeldeten Paracetamolvergiftungen gehen glimpflich aus. Von 4.200 Fällen im Jahr 2006 soll nur eine tödlich ausgegangen sein.
Hawton konnte durch seine damaligen Untersuchungen die britische Regierung überzeugen. Im Jahr 1998 wurde die rezeptfreie Abgabe durch Apotheken auf maximal 32 Tabletten (oder 16 Gramm) Paracetamol begrenzt, anderswo ist nur noch die Hälfte davon zu haben. Die Folge war ein deutlicher Rückgang der vollendeten Suizide mit Paracetamol. In den elf Jahren seit der Beschränkung ist die Zahl der vollendeten Suizide mit Paracetamol pro Quartal um 17 Fälle gesunken, kann Hawton jetzt melden. Das sind für den gesamten Zeitraum 765 weniger Todesfälle oder ein relativer Rückgang um 43 Prozent. Hinzu kommen noch einmal 482 weniger Lebertransplantationen. Das ist eine relative Reduktion um 61 Prozent.
Für Hawton ist dies kein Grund sich zurückzulehnen, solange sich noch jedes Jahr in England und Wales über 100 Menschen mit Paracetamol das Leben nehmen. Der Experte hält es für überlegenswert, die Packungsgröße noch weiter zu reduzieren oder die Dosierung pro Tablette zu senken. Diesen Weg ist 2011 die US-Arzneibehörde FDA gegangen. Dort enthält die einzelne Tablette nur noch 325 mg (statt 500 mg) Wirkstoff. Auch in den USA sind Paracetamolüberdosierungen die häufigste Ursache für ein akutes Leberversagen.
In Deutschland wurde im April 2009 die rezeptfreie Abgaben in Apotheken auf 10 Gramm begrenzt. Größere Mengen sind seither verschreibungspflichtig. Die Giftnotrufzentralen registrierten zuletzt einen leichten Rückgang der Vergiftungsfälle.
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