Patientenbeauftragte: Zu viel Bürokratie in der Gesundheitsversorgung

Düsseldorf – Knapp 600 Ratsuchende haben sich von Mai bis Dezember 2012 an das Büro der Patientenbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) gewandt. Auf die Internetseiten der Patientenbeauftragten griffen im selben Zeitraum im Durchschnitt rund 850 Nutzer monatlich zu.
Ein Viertel der Anfragen betrafen dabei Probleme im Zusammenhang mit der Kostenübernahme von Leistungen durch die gesetzlichen oder privaten Krankenkassen, gefolgt von Abrechnungsfragen (17,5 Prozent) und Fragen zu Behandlungsfehlern (elf Prozent).
Bei etwa zwei Dritteln der Anliegen handelte es sich um konkrete Hilfeersuchen (47,7 Prozent) und um Beschwerden über Einrichtungen und Personen (18,7 Prozent). Das geht aus dem Ende April veröffentlichten Jahresbericht 2012 der nordrhein-westfälischen Patientenbeauftragten, Eleftheria Lehmann (66), hervor, die überraschend bereits nach einem Jahr ihr Amt aus persönlichen Gründen abgibt. Ihr designierter Nachfolger Dirk Meyer (54), der zuletzt in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung tätig war, wird zum 1. Juni 2013 die Arbeit aufnehmen.
Der Bericht mache deutlich, wie groß der Bedarf nach Rat und Orientierung im als unübersichtlich empfundenen Gesundheitswesen sei, erklärte die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) anlässlich der Bekanntgabe des Personalwechsels in Düsseldorf. Aus der Summe der Beschwerden und Kontakte ließen sich zudem strukturelle Defizite ableiten.

Dem Jahresbericht zufolge sind es vor allem vier Problemlagen, die zu Beschwerden der Patienten und Versicherten führen: unzureichendes Wissen über das Versorgungssystem, fehlende Transparenz für Versicherte über die Bearbeitungspraxis der Krankenkasse, Lücken in der Versorgung insbesondere an den Übergängen zwischen den verschiedenen Versorgungssektoren sowie strukturelle und organisatorische Hemmnisse.
Bürokratischer Marathonlauf
„Ratsuchende erleben häufig die Verwaltungsprozesse in der Gesundheitsversorgung als einen bürokratischen Marathonlauf, der sie stark belastet und zum Teil überfordert“, schreibt Lehmann. Betroffen seien vor allem chronisch oder mehrfach Erkrankte, ältere Menschen mit Behinderungen und/oder einem niedrigen Einkommen.
Den künftigen Patientenbeauftragten Dirk Meyer stellte die Ministerin als „kompetent, bestens vernetzt und kommunikationsstark“ vor. Seine langjährige Arbeit in der Selbsthilfe werde ihm bei seiner Lotsentätigkeit durch das Gesundheitswesen zugute kommen, betonte die Ministerin.
Der Patientenbeauftragte ist in erster Linie nicht selbst beratend tätig, sondern fungiert als Lotse im Gesundheitswesen. Er verweist in der Regel auf qualifizierte Beratungsangebote der Kostenträger, Leistungserbringer, Selbsthilfeorganisationen und staatlichen Institutionen und informiert ergänzend zu bestehenden Angeboten wie der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland, des Netzwerks Patientenberatung NRW, der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. und der Selbsthilfeorganisationen. Seit Mai 2012 ist sein Büro auf dem Gesundheitscampus in Bochum angesiedelt. Die Landesregierung stellt hierfür 400.000 Euro jährlich zur Verfügung.
Kritik von der FDP
Kritisiert wird die Neubesetzung des Patientenbeauftragten indes von der gesundheitspolitischen Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Susanne Schneider. „Statt einen Nachfolger für das Amt des Patientenbeauftragten NRW zu berufen, hätte Landesgesundheitsministerin Steffens die Gelegenheit nutzen sollen, diese Doppelstruktur abzuschaffen“, erklärte Schneider. Selbstverständlich sei die Patienteninformation wichtig und richtig. Jedoch gebe es eine Vielzahl von Aufklärungs- und Beratungsstellen.
„In Zeiten knapper Kassen sind die 400.000 Euro für das Büro des Patientenbeauftragten NRW kaum zu erklären.“ Die Bilanz des ersten Jahres verfestige den Eindruck, dass es sich um ein kostspieliges Prestigeobjekt der Landesregierung handele, das von den Patienten kaum in Anspruch genommen werde.
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