Ärzteschaft

Patientenverbände kritisieren Facharztvertrag der AOK Baden-Württemberg

  • Freitag, 31. August 2012

Berlin – Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) und die Selbsthilfe­vereinigung Pro Retina Deutschland haben den Facharztvertrag der AOK Baden-Württemberg mit der Managementgesellschaft QMBW kritisiert. Mit dem Vertrag soll die Versorgung der bei der AOK Baden-Württemberg versicherten Patienten mit einer feuchten, altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) mit Hilfe einer intravitrealen operativen Medikamentenapplikation (IVOM) verbessert werden.

Der DBSV kritisierte, der Vertrag belohne es, wenn die teilnehmenden Ärzte das Medikament Avastin für die Therapie ihrer AMD-Patienten benutzten. Ein Arzt könne auf diese Weise einen Bonus von knapp 30.000 Euro pro Jahr erhalten, wenn er monatlich 35 Injektionen mit Avastin bei AOK-Patienten durchführe und dabei auf die beiden teureren Medikamente Macugen und Lucentis verzichte. Im Gegensatz zu diesen Arzneimitteln sei Avastin für die Augenheilkunde jedoch gar nicht zugelassen.

Der Patient habe hingegen nur Nachteile, so der DBSV. Denn in der Muster-Einwilligungserklärung für die AMD-Patienten heiße es, dass unter Avastin bestimmte Nebenwirkungen häufiger aufträten. Auch müsse der Einwilligungserklärung zufolge mit einer etwas höheren Injektionsfrequenz gerechnet werden. Zudem ergäben sich rechtliche Konsequenzen aus der Off-Label-Behandlung mit Avastin, wie zum Beispiel eine fehlende Produkthaftung des Herstellers.

„Mit einem vertraglich zugesicherten, finanziellen Bonus will die AOK Baden-Württemberg Augenärzte belohnen, wenn diese von Altersblindheit bedrohte Patienten aus rein ökonomischen Gründen mit einem nicht zugelassenen Medikament behandeln, obwohl zugelassene Therapien zur Verfügung stehen“, kritisierte auch Pro Retina Deutschland. Die Patienten würden über die Bonus-Regelung jedoch nicht informiert. Der IVOM-Vertrag nach § 73 c SGB V beschädige daher das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.

Die AOK Baden-Württemberg wies die Kritik als unverständlich zurück. Die Patientensicherheit sei für die AOK höchstes Gebot und werde durch den Vertrag in besonderer Weise sichergestellt. „Die Augenärzte, die sich gemeinsam mit dem Patienten für eine rationale Arzneimitteltherapie entscheiden, können an der Wirtschaftlichkeit finanziell partizipieren“, sagte ein Sprecher der Kasse gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Diese Form der Zusammenarbeit sei durch den Gesetzgeber gefordert und im Paragrafen 128 SGB V gesetzlich verankert.

Zurzeit läuft das Beitrittsverfahren zu dem IVOM-Vertrag noch. Er könne starten, wenn insgesamt mindestens 50 ophthalmochirurgisch tätige Fachärzte für Augenheilkunde, die die Teilnahmevoraussetzungen erfüllen, und mindestens drei Ärzte je AOK-Bezirksdirektion dem Vertrag beigetreten seien, sagte der Sprecher der AOK Baden-Württemberg. Damit werde eine flächendeckende Versorgung sichergestellt. Die Kasse rechne damit, dass spätestens bis zum Jahresende dieses Quorum erreicht werde.

fos

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