Medizin

Patiromer: Polymer normalisiert Serumkalium über den Darm

  • Dienstag, 14. Juli 2015

Chicago – Ein neuartiges Polymer, das Kalium im Darm bindet, hat in einer Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt JAMA (2015; doi: 10.1001/jama.2015.7446) den Kaliumspiegel von Diabetikern gesenkt, die wegen einer chronischen Niereninsuffizienz mit Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) behandelt wurden. Ein Editorialist rechnet noch in diesem Jahr mit einer Zulassung in den USA.

Viele Diabetiker mit beginnender Niereninsuffizienz, einer häufigen Spätkomplikation der Erkrankung, werden mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptorblockern behandelt. Diese RAAS-Blockade soll das Fortschreiten der Nierenschäden aufhalten. Doch bei vielen Patienten müssen die Medikamente abgesetzt werden, weil es zu einem Anstieg des Serumkaliums gekommen ist. Eine Hyperkaliämie muss vermieden werden, weil sie lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen triggern kann.

Die Möglichkeiten, den Kaliumspiegel therapeutisch zu senken, sind bislang begrenzt. Am effektivsten ist die Behandlung mit Austauscherharzen, die Kalium im Darm binden und dadurch dem Blut entziehen. Doch die Behandlung ist nicht immer wirksam, und die Verträglichkeit ist häufig problematisch. Die FDA warnte 2009 vor der Einnahme eines Präparats, nachdem es bei einigen Patienten zu Blutungen und Darmperforationen gekommen war.

Zwei Neuentwicklungen könnten diese Situation demnächst ändern. Im letzten Jahr hatte das Mineral Zirconium-Cyclosilikat in einer im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2014; 312: 2223-2233) veröffentlichten Studie bei vielen Patienten mit Hyperkaliämie unterschiedlicher Genese die Elektrolytwerte normalisiert. Jetzt liegen Ergebnisse zu Patiromer zu. Es handelt sich um ein Polymer, das vom Darm nicht absorbiert wird und das bei seiner Passage Kalium-Ionen aufnimmt.

Wirksamkeit und Sicherheit von Patiromer wurden in einer offenen Dosisfindungsstudie AMETHYST-DN an 306 ambulanten Patienten mit Typ-2-Diabetes und milder bis mittelschwerer Niereninsuffizienz (eGFR 15-59 ml/min/1,73m2) untersucht, bei denen das Serum-Kalium erhöht war, da sie unter einer Dauertherapie mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptorblockern standen. Ein Drittel der Patienten litt auch unter einer Herzinsuffizienz. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer war 66,3 Jahre und die mittlere Serumkonzentration des Kaliums betrug 5,3 mmol/l.

In Abhängigkeit vom Schweregrad der Hyperkaliämie wurden die Patienten mit drei verschiedenen Dosierungen von Patiromer behandelt, das zweimal täglich in einer oralen Lösung eingenommen wurde. Wie George Bakris von der Universität Chicago berichtet, senkte Patiromer in allen drei Dosierungen das Serum-Kalium.

Nach vier Wochen erreichten 83,1 bis 92,7 Prozent der Patienten mit vormals milder Hyperkaliämie (5,0-5,5 mmol/l) den Zielkorridor von 3,8 bis 5,0 mmol/l. Bei den Patienten mit vormals ausgeprägter Hyperkaliämie (über 5,5 mmol/l) schafften dies 77,4 bis 95,1 Prozent der Patienten. Die Zielwerte wurden danach über insgesamt 52 Wochen gehalten. Nach dem Absetzen kam es sofort zu einem erneuten Anstieg des Kaliumwerts.

Die Therapie mit Patiromer muss deshalb dauerhaft durchgeführt werden (das gleiche gilt für Zirconium-Cyclosilikat), weshalb die langfristige Verträglichkeit von entscheidender Bedeutung ist. In der AMETHYST-DN-Studie kam es bei 44 Patienten (14,5 Prozent) zu schweren Komplikationen – darunter 15 Todesfällen – die allerdings von den Prüfärzten sämtlich auf die Grunderkrankung und nicht auf Patiromer zurückgeführt wurden.

Patiromer wurde von den meisten Patienten gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Obstipation oder Diarrhö. Bei 5,6 Prozent der Patienten kam es zu einer Hypokaliämie. Da Patiromer auch andere Elektrolyte bindet, kann es auch zu einer Hypomagnesiämie kommen.

Inzwischen haben beide Hersteller ihre Phase 3-Studien abgeschlossen. Die Ergebnisse wurden bereits im Januar im New England Journal of Medicine (2015; 372: 211-221 und 222-231) veröffentlicht. Der JAMA-Editorialist Wolfgang Winkelmayer rechnet aufgrund der guten Ergebnisse fest mit einer Zulassung. Dem Patiromer-Hersteller Relypsa aus Redwood City in Kalifornien wurde von der FDA für den 21. Oktober diesen Jahres eine Entscheidung zugesagt. Für ZS Pharma, ebenfalls aus Redwood City, den Hersteller von Zirconium-Cyclosilikat, steht noch kein Termin fest. Wann die beiden Mittel in Europa eingeführt werden, ist ebenfalls noch offen.

rme

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