Medizin

Pflanzliches Kontrazeptivum wirkt wie „molekulares“ Kondom

  • Dienstag, 16. Mai 2017
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Berkeley – Zwei Steroide aus Pflanzen, darunter eines, das von der traditionellen chinesischen Medizin als Kontrazeptivum empfohlen wird, haben in Laborexperimenten in den Proceedings of the National Academy of Sciences (2017; doi: 10.1073/pnas.1700367114) die Hyperaktivierung von Spermien kurz vor der Befruchtung blockiert. Die Substanzen waren in deutlich geringerer Dosis wirksam als ein hormonelles Notfallkontrazeptivum, weshalb die Forscher sie als „molekulares“ Kondom bezeichnen.

Spermien sind Langstreckenschwimmer und wie bei diesen hängt der Erfolg von der Fähigkeit zum Endspurt ab. Tatsächlich bewegen sich die Spermien nach der Ejakulation zunächst mit rhythmischen Bewegungen relativ langsam voran. Kurz vor dem Ziel setzt dann ein hektisches Treiben ein, als wüssten die Einzeller, dass nur einer von ihnen das Ziel erreichen wird.

In Wirklichkeit wird die Hyperaktivität von außen gesteuert, wie ein Team um Polina Lishko von der Universität in Berkeley, Kalifornien, im letzten Jahr zeigen konnte. Auslöser ist das Hormon Progesteron, das in der Umgebung der Eizelle freigesetzt wird. Progesteron bindet auf den Spermien an dem Protein ABHD2. Dadurch öffnet sich ein Kalziumkanal („CatSper“), über den Kalzium  einströmt und den kontraktilen Apparat aktiviert. Dies ermöglicht die finale Hypermobilität der Spermien.

Seither sucht das Forscherteam nach Substanzen, die eine gegensätzliche Wirkung haben und über die Blockade des „CatSper“-Kanals eine kontrazeptive Wirkung erzielen könnten. Zunächst haben sie drei weitere Hormone getestet: Testosteron, Östrogen und das Stresshormon Cortisol. Alle drei zeigten eine gewisse Wirkung, die allerdings nur bei Testosteron und Cortisol in Konzentrationen auftrat, die auch im Körper erreicht werden. Stress und ein hoher Testosteronspiegel sind bekannte Faktoren, die die Fruchtbarkeit herabsetzen und die Blockade von Progesteron am „CatSper“-Kanal könnte eine Erklärung dafür sein.

Eine deutlich stärkere Wirkung erzielten die Forscher mit Pregnenolon, einem Zwischenprodukt in der Synthese von Steroiden. Da Steroide auch im Pflanzenreich verbreitet sind, durchforsteten die Forscher die Literatur nach Pflanzen, denen eine kontrazeptive Wirkung zugeschrieben wurde. Relativ gut untersucht ist die Wirkung des Triterpenoid Lupeol, das in Mangos, Aloe vera und den Wurzeln des Löwenzahns enthalten ist.

In Tierversuchen hat es die Motilität von Spermien gehemmt. Ein weiterer Kandidat war das Triterpenoid Pristimerin. Es ist in Tripterygium wilfordii (Wilfords Dreiflügelfrucht) enthalten, einer in Ostasien beheimateten Pflanze, deren Blätter von der traditionellen chinesischen Medizin zur Geburtenkontrolle empfohlen werden (obwohl die Blätter von westlichen Toxikologen als giftig eingestuft werden).

Die Experimente der US-Forscher ergaben, dass beide Mittel die Bindung von Progesteron an ABHD2 verhinderten und damit die Öffnung des „CatSper“-Kanals unterbanden. Die Spermien behielten ihre normale Motilität, sie waren jedoch nicht mehr zu einem Endspurt in Richtung Eizelle in der Lage.

Die Wirkung trat bereits in einer zehnfach geringeren Konzentration auf als von Levonorgestrel in einem gängigen Notfallkontrazeptivum. Ob sich die beiden „molekularen“ Kondome allerdings als naturheilkundliches Kontrazeptivum eignen, müsste erst noch klinisch untersucht werden. Bei Pristimerin dürften zudem eingehende toxikologische Tests notwendig werden.

rme

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