Medizin

Phthalate: Intra-uterine Exposition erhöht Asthmarisiko von Kindern

  • Donnerstag, 4. Mai 2017
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Auch Kinderspielzeug enthält Phthalate. /77SG, stock.adobe.com

Journal of Allergy and Clinical Immunology

Leipzig – Eine erhöhte Phthalatbelastung während Schwangerschaft und Stillzeit könnte im Erbgut des Kindes zu dauerhaften epigenetischen Veränderungen führen, die später die Entwicklung eines allergischen Asthmas fördern. Dies zeigen neue Studiener­gebnisse im

(2017; doi: 10.1016/j.jaci.2017.03.017).

Die meisten Kunststoffe enthalten Phthalate, die als sogenannte Weichmacher die Flexibilität, Transparenz und Haltbarkeit von Plastikgegenständen erhöhen. Da die Phthalate nicht fest im Kunststoff gebunden sind, werden sie in die Umwelt freigesetzt. Die Menschen sind über die Nahrung und die Luft so stark exponiert, dass sich die Abbauprodukte von Phthalaten bei den meisten Menschen im Blut und im Urin in Spuren nachweisen lassen. 

Phthalate haben bereits in kleinster Menge eine hormonartige Wirkung. Unerwünschte Wirkungen auf den Stoffwechsel oder die Fruchtbarkeit werden seit einiger Zeit in der Forschung diskutiert. Ein Team um den Umweltimmunologen Tobias Polte vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig hat jetzt den Zusammenhang zwischen einer intra-uterinen Exposition und späteren Asthma-Erkrankungen untersucht.

Zunächst untersuchten die Forscher den Urin von Schwangeren, die an der Mutter-Kind-Kohorten-Studie LINA (Lebensstil und Umweltfaktoren und deren Einfluss auf das Neugeborenen-Allergierisiko) teilgenommen hatten. Ihr Interesse galt den zahlreichen Metaboliten von Phthalaten, deren Konzentration sie mit dem Auftreten von allergischem Asthma bei den Kindern in Beziehung setzten. Bei einem der Metabolite wurden sie fündig. Die Kinder von Müttern mit erhöhten Urinwerten von Butylbenzylphthalat (BBP) erkrankten häufiger als andere im Kindesalter an einem allergischen Asthma.

Experimente an einem Mausmodell bestätigen die Ergebnisse. Eine erhöhte Phthalat­belastung führte bei den Muttertieren zu einer vermehrten Ausscheidung von BBP, die wie in der LINA-Studie mit einem erhöhten Asthmarisiko bei den Nachkommen verbunden war. Selbst die übernächste Generation war noch betroffen. Die Forscher vermuteten deshalb, dass die Phthalatbelastung zu einer pränatalen Prägung führt, die über epigenetische Einflüsse das Erbgut dauerhaft verändert. Diese Einflüsse werden über sogenannte Methylgruppen vermittelt. Ihre Anlagerung an die DNA kann einzelne Gene abschalten.

Tatsächlich konnten die Forscher die epigenetischen Einflüsse der Phthalatbelastung durch die vorherige Behandlung mit einer Substanz verhindern, die die Anlagerung von Methylgruppen verhindert.

Die Forscher identifizierten schließlich ein Gen, dessen Abschaltung möglicherweise für die vermehrte Allergieneigung verantwortlich ist. Es handelt sich um das Gen Zfpm1, das die Aktivierung von T-Zellen beeinflusst und möglicherweise die Entwicklung einer Th2-Antwort anstößt. Die Th2-Antwort ist nach heutigem Kenntnisstand der Auslöser von allergischen Reaktionen.

Abschließend konnten die Forscher zeigen, dass das Gen Zfpm1 auch bei den intra-uterin mit Phthalaten belasteten Kindern durch Methylgruppen blockiert ist, wodurch das Gen Zfpm1 nicht abgelesen werden kann.

Im Gesamtblick zeigen die Ergebnisse, dass offensichtlich epigenetische Veränderungen dafür verantwortlich sind, dass Kinder bei starker mütterlicher Phthalat-Belastung während Schwangerschaft und Stillzeit ein erhöhtes Risiko haben, ein allergisches Asthma zu entwickeln. Im nächsten Schritt wollen die Forscher untersuchen, wie genau bestimmte Phthalate eine Methylierung von Genen hervorrufen, die für die Allergieentstehung relevant sind.

rme

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