Politiker diskutieren über die ambulante Versorgung der Zukunft
Berlin – Die ambulante Versorgung in Deutschland wird sich verändern. Darin waren sich die Experten auf einer Podiumsdiskussion einig, die im Rahmen des fünften Fachärztetags des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa) am vergangenen Freitag stattfand.
„Viele junge Ärztinnen und Ärzte möchten anders arbeiten als die Generation vor ihnen“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar. „Sie möchten die Verantwortung als Unternehmer nicht übernehmen. Und sie wollen im Team arbeiten, mit kollegialem Austausch über die Patienten.“
Die Sprecherin für Gesundheitsförderung der Grünen-Fraktion, Kirsten Kappert-Gonther, stimmte ihr zu. „Ich glaube, dass die von einem Arzt alleine betriebene Vertragsarztpraxis kein Auslaufmodell ist, aber dass sich die Situation ändert – weil sich die Bedürfnisse der Ärzte ändern“, sagte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, die vor ihrem Einzug in den Bundestag 13 Jahre in einer eigenen Praxis gearbeitet hat.
„Die jungen Ärzte möchten mehr Kooperation untereinander, auch mehr Kooperation mit anderen Gesundheitsfachberufen. Ich halte das für eine gute Entwicklung. Denn wir können mit der Ressource Arzt nicht weiterhin so umgehen wie bisher.“ Dazu werde gehören, dass man darüber diskutieren müsse, ob noch alles von Ärzten gemacht werde könne, was Ärzte heute täten – oder ob nicht zum Beispiel Ärzte in der Geburtshilfe mehr Verantwortung an Hebammen abgeben sollten.
Bürokratieaufwand bepreisen
Achim Kessler von Links-Fraktion im Bundestag zitierte das Ergebnis einer Umfrage der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der zufolge sich 90 Prozent der 13.000 befragten Medizinstudierenden vorstellen könnten, als Angestellte zu arbeiten.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, stellte die Frage: „Warum wollen eigentlich so viele Medizinstudierende als Angestellte arbeiten?“ Das liege an den Rahmenbedingungen der selbstständigen Arbeit: an den Budgets, den Plausibilitätsprüfungen, den Regressen. Auch die Bürokratie hindere viele Ärzte daran, selbstständig zu werden. In diesem Zusammenhang schlug sie vor, den Bürokratieaufwand zu bepreisen.
„Wir werden die Arztzeituhr nicht anhalten“
Der Vorstandsvorsitzende des SpiFa, Dirk Heinrich, wies darauf hin, dass es zu solchen Umfragen keine Vergleichswerte aus der Vergangenheit gebe. „Wenn man mich damals gefragt hätte, hätte ich mich auch gegen eine Niederlassung ausgesprochen“, sagte Heinrich. „Aber nach zwölf Jahren Arbeit im Krankenhaus wurde es dann doch interessant für mich. Und heute finde ich es klasse.“
Dennoch müsse man sich darauf einstellen, dass die zur Verfügung stehende Arztzeit auch durch die steigende Zahl der angestellten Ärzte weiter zurückgehen werde. Die KBV hat vor Kurzem eine sogenannte Arztzeituhr vorgestellt, die die in Deutschland zur Verfügung stehende Arztzeit anzeigt.
„Wir werden die Arztzeituhr nicht anhalten“, sagte Heinrich. Denn das Kind sei bereits in den Brunnen gefallen. „Wir haben es verpennt“, betonte der SpiFa-Vorsitzende. „Selbst, wenn wir heute mehr Medizinstudienplätze bekämen, kämen diese Ärzte erst in zwölf Jahren in der Versorgung an. Bis dahin brauchen wir andere Modelle.“
Dazu zählten zum Beispiel Flying Doctors, die die Versorgung auf dem Land aus der Stadt heraus machten. Mit jedem Jahr, das ins Land gehe, ohne dass die Zahl der Studienplatz größer werde, werde sich das Problem zudem weiter vergrößern.
Um die Niederlassung interessanter zu machen, forderte Heinrich, die Niederlassungsfreiheit einzuführen und die Budgetierung zu beenden. „Bei den Zahnärzten gibt es eine Niederlassungsfreiheit und keine Budgets“, sagte Heinrich. „Und es hat sich gezeigt, dass es trotzdem keinen Zahnärztemangel im ländlichen Bereich gibt.“
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