Medizin

Postmortale CT mit Angiographie ist Autopsie gleichwertig

  • Montag, 29. Mai 2017
/alexkich, stock.adobe.com
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Leicester – Eine postmortale Computertomographie (PMCT), bei Bedarf ergänzt um eine Angiographie, hat in einer prospektiven Vergleichsstudie die Ursache bei natür­lichen Todesfällen ebenso zuverlässig ermittelt wie eine Autopsie. Die minimal-invasive Methode könnte laut der Studie im Lancet (2017; doi: 10.1016/S0140-6736(17)30333-1) in neun von zehn Fällen die konventionelle Leichenöffnung ersetzen. 

Die Autopsie, eventuell ergänzt durch Laboruntersuchungen, ist noch immer der Goldstandard zur Sicherung der Todesursache bei unklaren Todesfällen. Röntgen­untersuchungen und die Computertomographie kommen relativ selten zum Einsatz. Dabei wurde bereits im Jahr 1896, ein Jahr nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen, die erste „Virtopsie“ durchgeführt. Die erste CT-Autopsie erfolgte 1983.

Beide Verfahren haben sich nicht durchgesetzt, weil sie vor allem gefäßbedingte Todesursachen, etwa einen Herzinfarkt oder eine Lungenembolie, häufig übersehen. Eine Angiographie, bei der unter Druck zunächst Luft und später Kontrastmittel in das arterielle Gefäßsystem gepumpt wird, was eine Darstellung der Blutgefäße ermöglicht, könnte diesen Nachteil vermeiden. Pathologen der Leicester Royal Infirmary haben die PMCT mit eventueller Angiographie jetzt in einer prospektiven Studie mit der konventionellen Autopsie verglichen. 

Bei 241 Todesfällen, bei denen der Coroner (ein im angelsächsischen Rechtssystem zur Totenschau bestellter Beamter) die Notwendigkeit einer Autopsie sah, wurde vor der Leichenöffnung eine PMCT durchgeführt. Die konventionelle Autopsie erfolgte am Tag darauf, ohne dass die Pathologen das Ergebnis der virtuellen Autopsie kannten.

Wie ein Team um Bruno Morgan von der Universität Leicester berichtet, konnte das PMCT, eventuell ergänzt um eine Angiographie, in 204 Fällen erfolgreich (85 Prozent) durchgeführt werden, in 193 von 210 Fällen (92 Prozent) konnte eine Todesursache festgestellt werden. In 12 Fällen (6 Prozent) wurden in der PMCT Todesursachen über­sehen, die bei der Autopsie ans Licht kamen. In neun Fällen wurde jedoch in der PMCT eine Todesursache erkannt, die die Pathologen später bei der konventionellen Leichen­schau übersahen.

Dazu gehörte beispielsweise eine parenchymale Kleinhirnblutung bei einer 73-jährigen Frau, die plötzlich zusammengebrochen war und bei der zunächst ein plötzlicher Herztod vermutet wurde. In einem anderen Fall war ein 33-jähriger Typ-1-Diabetiker nicht an einer Ketoazidose gestorben, sondern an einer Subarachnoidal­blutung. Bei einer 84-jährigen Frau waren sich Radiologe und Pathologe einig, dass eine innere Blutung unter einer oralen Antikoagulation für den Tod verantwortlich war. Doch nur das CT erkannte die Blutquelle. Die Frau hatte nach einem Sturz eine Fraktur des Schulterblatts mit starker Einblutung (1 Liter) in die linke Thoraxwand erlitten.

Für Morgan ist die PMCT mit eventueller Angiographie ein vollwertiger Ersatz zur Autopsie, auf die seiner Ansicht nach in neun von zehn Fällen verzichtet werden könnte. Dies käme nicht nur den Wünschen der Angehörigen entgegen. Die radio­logische Befundung wäre wahrscheinlich auch kostengünstiger, weil weniger zeit- und personalintensiv.

rme

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