Studierender Blick

Praktisch Ja?

  • Freitag, 23. August 2013

Endlich beginnt jenes, worauf man schon seit Studienbeginn wartet – Medizin im Stationsalltag. Weg von Theoretika, hin zu Patienten und Praxis.

An meinem ersten Tag stellte ich mich den Patienten mit dem Zusatz „Medizinstudierender im praktischen Jahr” vor. Zurück kam ein entgeistertes „Praktisch, ja? Was ist denn praktisch an Ihnen?”. Ein wohlwollendes Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen – die Hierarchie in Krankenhäusern (besonders in der Chirurgie) ist ja nicht ganz so durchschaubar für Außenstehende.

Was das PJ von Famulaturen unterscheidet ist ein klares „mission statement”. Famulaturen sind Schnupperkurse á 30 Tagen – ein Leuchtturm zur Orientierung, welche Fachrichtung man für das praktische Jahr wählen möchte.

Doch was ist das PJ? Ich habe irgendwann im Studium das Verständnis aufgeschnappt, dass man die Tertiale Chirurgie und Innere Medizin nicht aus einer Motivation zu leisten hat, welche aus Eigen­interesse entspringt. Nicht jeder möchte Chirurg werden, zumindest außerhalb den Vereinigten Staaten. Aber man tut sich was Gutes, wenn man aufpasst und manchmal aufmerksam nachfragt, um hier und da etwas mitzunehmen. Denn diesen Dienst erweist man sich für die spätere Facharztweiterbildung,
wurde mir schon des öfteren gesagt.

Wieso aber ist es denn notwendig, ausgerechnet Chirurgie zu durchlaufen, wenn man Psychiater, Kinderarzt oder Epidemiologe werden will? Ich vermute stark, die Antwort liegt nicht darin, dass wir den perfekten Arzt mit allumfassenden Durchblick suchen. Weiterhin braucht ein Psychiater bei weitem keine Chirurgie in seinem praktischen Jahr, wenn es doch so viele direkt überschneidende Areale stattdessen gäbe (bspw. Neurologie oder Psychosomatik).

Vielleicht ist es einfach eine Dienstleistung des Studierenden an die Gesellschaft, nachdem dieser 5 Jahre lang das teuerste staatliche Studium Deutschlands durchlaufen hat? Oder vielleicht soll der Studierende auch mal über seinen Tellerrand schauen?

PJler sind fest eingebundene Ausbildungskräfte, die Blut abnehmen, Patienten vorstellen, Fortbildungen hören und Venenkanülen legen. Die größte Forderung der vergangenen 50 Jahre – nämlich deutlich mehr Praxis im Studium – ist nicht nur ein Schlaglicht des praktischen Jahres, sondern mittlerweile schon weit früher im Studium durch Notfall- oder Anamnese-Kurse zu finden. Eine ganze Welle an Skillslabs ist über das Land gefegt und hat eine fein abgestimmte praktische Studienkultur angeregt, welche über das nächste Jahrzehnt erst so richtig aufblüht, wenn sie die neuesten evidenzbasierten Ergebnisse der Ausbildungsforschung kontinuierlich diskutieren wird.

Doch benötigt man bei aller Praxis der ersten fünf Studienjahre noch ein anschließendes "Praktisches Jahr" in dieser Form? Oder sollte man es nicht nach französischem Modell auf mehrere Jahre ausweiten, mit fester Einbettung von Vorlesungen und Seminaren am Nachmittag?

Solche Fragen sollten weiterhin aktiv diskutiert werden, da eine zeitgemäße Ausbildung unserer Ärzte momentan im Umbruch steht. Viele Studierende identifizieren sich schon seit Jahren nicht mehr mit dem „en bloc PJ”, weil sie dieses starre und statische Denken durch die konsekutive Einführung von Modellstudiengängen immer weniger im Kopfe wissen. Die Antworten zu diesen Fragen können aber etwas Besorgnis in der Gesundheitspolitik erregen – man stelle sich vor, alle Ausbildungskräfte sind plötzlich nur noch halbtags auf Stationen: Wer nimmt dann das Blut im Nachtdienst ab?

 

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