Medizin

Prostatakarzinom: Operation senkt bei jüngeren Patienten langfristig die Mortalität

  • Donnerstag, 6. März 2014
Uploaded: 06.03.2014 19:52:28 by mis
Prostatakarzinom Mikroaufnahme Vergrößerung 160:1 pa

Uppsala – Die Vorteile einer sofortigen Operation gegenüber einer abwartenden Haltung machen sich bei einem Prostatakarzinom im Frühstadium erst langfristig bemerkbar. Die jüngsten Ergebnisse der Scandinavian Prostate Cancer Group Study Number 4 (SPCG-4) im New England Journal of Medicine (2014; 370: 932-942) sprechen bei jüngeren Patienten klar für Operation, doch auch bei älteren Patienten zeichnen sich Vorteile ab.

Das Prostatakarzinom schreitet sehr langsam voran, und Studien, die den Nutzen einer Operation im Frühstadium des Krebsleidens untersuchen wollen, benötigen einen langen Atem. Bei der SPCG-4, die zwischen Oktober 1989 und Februar 1999 insgesamt 695 Männer mit einem Tumor im Stadium T1 oder T2 auf eine radikale Prostatektomie oder ein “watchful waiting” randomisierte, konnte erst 2011 nach durchschnittlich 15 Jahren einen Vorteil der sofortigen Operation zeigen.

Eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit war damals nur für Patienten unter 65 Jahren nachweisbar. Der Unterschied betrug damals 13,5 Prozentpunkte, was eine Number Needed to Treat (NNT) von 7 Patienten ergibt, auf die einer kommt, dem durch die sofortige Operation (nach 15 Jahren) das Leben gerettet wird.

Jetzt stellen Anna Bill-Axelson von der Universitätsklinik Uppsala und Mitarbeiter die Folgeergebnisse nach durchschnittlich 18 Jahren vor. Der Unterschied in der Gesamtsterblichkeit ist jetzt auf 25,5 Prozentpunkte gestiegen, womit sich der NNT-Wert auf 4 Patienten für ein gerettetes Leben verbessert. Auch die Unterschiede in der Sterblichkeit an Prostatakrebs nahmen von 9,4 auf 15,8 Prozentpunkte (NNT von 10,6 auf 6,3 verbessert) zu. Bei den Fernmetastasen, dem dritten primären Endpunkt, gab es keine weitere Verbesserung.

Für die Patienten, die bei der Diagnose bereits 65 Jahre oder älter waren, lassen sich in allen drei Endpunkten noch keine eindeutigen Vorteile erkennen. Der Unterschied bei den Fernmetastasen von 8,9 Prozentpunkten verfehlte allerdings das Signifikanzniveau nur knapp. Dies mag der Grund gewesen sein, warum Bill-Axelson einen weiteren Endpunkt in die Auswertung hinzugenommen hat.

Viele Patienten erhalten nach dem Fortschreiten des Prostatakarzinoms eine Anti-Andro­gen-Therapie, die den Tod hinauszögert, aber mit einer Einschränkung der Lebens­qualität verbunden ist. Diesen Endpunkt haben die Patienten aus der Gruppe der über 65 Jährigen deutlich seltener erreicht, wenn sie sich für eine sofortige Prostatektomie entschieden. Der absolute Unterschied beträgt 21,8 Prozentpunkte oder eine NNT von 4,6 Patienten, die sofort operiert werden müssen, um einem Patienten die Androgen-Deprivation zu ersparen.

Eine etwas andere Perspektive ergibt sich beim Blick auf die „Rohdaten“: Von den 347 Patienten, die sich sofort operieren ließen, sind bisher 200 gestorben, davon 63 am Prostatakrebs. Für die meisten Patienten hat sich damit die Operation auch nach bis zu 23,2 Jahren (der derzeitigen maximalen Nachbeobachtungszeit) nicht gelohnt. Von den 348 Männern im “watchful waiting”-Arm sind 247 gestorben, davon 99 am Prostatakrebs.

Die meisten dieser Patienten haben sich bis heute nicht operieren lassen. Ihnen bleiben damit die Komplikationen der Operation erspart, von denen vor allem die Harninkonti­nenz und die erektile Dysfunktion sich negativ auf die Lebensqualität auswirken. Zu einer erektilen Dysfunktion kam es allerdings altersbedingt mit der Zeit auch bei den meisten Patienten im “watchful waiting”-Arm.

Die Prävalenz betrug 12,4 Jahre nach Beginn der Studie 80 Prozent, im Arm mit sofortiger Operation waren es mit 84 Prozent kaum mehr. Der Unterschied in der Prävalenz der Harnwegsinkontinenz (11 versus 41 Prozent) war jedoch weiterhin deutlich.

Neben der SPCG-4 vergleicht auch die US-amerikanische Prostate Cancer Intervention versus Observation Trial (PIVOT) beide Optionen beim Prostatakarzinom. Dort konnte bisher noch kein Überlebensvorteil für die sofortige Operation gezeigt werden. Der Grund wird im Lead-Bias durch die in den USA übliche Frühdiagnose mit dem PSA-Test vermutet.

Er verschiebt den Diagnosebeginn schätzungsweise zehn Jahre nach vorne, so dass sich die Überlebenskurven vermutlich erst zehn Jahre später trennen. In der SPCG-4 waren nur wenige Tumore durch den PSA-Test diagnostiziert worden.

rme

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