Proteinfamilie unterstützt Regeneration beschädigter Nervenzellen

Bonn – Auch ältere Nervenzellen des Zentralnervensystems (ZNS) haben das Potenzial, Beschädigungen ihrer Struktur zu beheben – ähnlich wie junge Zellen. Dies berichten Wissenschaftler um Frank Bradke vom Bonner Standort des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Universität Bonn im Fachjournal Neuron (doi 10.1016/j.neuron.2019.07.007).
Es ist allgemein anerkannt, dass Zellen des ZNS ihre Wachstumsfähigkeit einstellen, wenn sie diese nicht mehr benötigen. Dies geschieht normalerweise, nachdem sie ihre Zielzellen gefunden und Verbindungen zu ihnen gebildet haben. Lediglich Nervenzellen der Peripherie – beispielsweise jene in Armen und Beinen – bewahren sich ein ausgeprägtes Potenzial, beschädigte Verbindungen wiederherzustellen.Werden jedoch Axone im Rückenmark unterbrochen, wachsen sie nicht nach: Die Signalstrecke für Nervenimpulse bleibt gestört.
„Nun haben wir festgestellt, dass adulte Zellen die Veranlagung für Wachstum und Regeneration dennoch behalten“, sagte Bradke. Entscheidend dafür sind bestimmte Proteine, die Wachstum auch bei jungen Zellen vermitteln. „Diese Proteine sind wichtige Wachstumsregulatoren, unabhängig vom Entwicklungsstadium. Sie wirken auf das Stützgerüst der Nervenzelle und setzen damit dynamische Prozesse in Gang, die Wachstum und Regeneration überhaupt erst ermöglichen“, so der Bonner Neurobiologe.
„Schon lange treibt uns die Frage an, ob sich die Abläufe aus der frühen Entwicklungsphase reaktivieren lassen. Das könnte ein Weg sein, um Regeneration bei adulten Nervenzellen auszulösen“, sagte Sebastian Dupraz aus der Arbeitsgruppe. Vor diesem Hintergrund haben die Bonner Forscher in den vergangenen Jahren diverse Faktoren identifiziert, die das Wachstum von Nervenzellen beeinflussen.
Bestimmte Proteine – die Proteine der „Cofilin/ADF“-Familie – erwiesen sich als Schlüsselelemente: Sie steuern im frühen Entwicklungsstadium die Ausbildung von Fortsätzen, aus denen die Axone hervorgehen. „Bei unserer aktuellen Studie haben wir festgestellt, dass genau diese Proteine auch bei ausgereiften Nervenzellen die treibende Kraft für Wachstum und Regeneration sind“, so Dupraz.
Der zugrundeliegende Mechanismus ist dabei der Ab- und Aufbau sogenannter Aktin-Filamente. Diese langgestreckten Moleküle sind Bestandteil des molekularen Gerüsts, das der Zelle Gestalt und Stabilität verleiht. Die Proteine der Cofilin/ADF-Familie lösen dieses Korsett teilweise auf. Erst durch dieses Aufbrechen kann sich die Struktur der Zelle verändern – und sie kann wachsen und regenerieren.
„Ein Ansatz für künftige regenerative Therapien könnte daher darin bestehen, auf die Aktin-Filamente in geeigneter Weise einzuwirken”, so die DZNE-Forscherin und Mitautorin der Studie, Barbara Schaffran.
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