Protest gegen Justizreform: Gericht ordnet Ende eines Medizinerstreiks an

Tel Aviv – Ein Arbeitsgericht in Israel hat einen Streik aus Protest gegen die umstrittene Justizreform von Medizinern als unzulässig erklärt. Die Richter gaben damit heute einem Antrag der Regierung statt, wie israelische Medien meldeten.
Die Regierung hatte demnach das Ende der Arbeitsniederlegung gefordert. Das zuständige Arbeitsgericht ordnete den Berichten zufolge eine einstweilige Verfügung an. Ärzte, Pflegekräfte und weiteres medizinisches Personal müssen nun – etliche Stunden nach Streikbeginn – ihre Arbeit wieder aufnehmen.
Israels Ärztekammer kündigte den eintägigen Streik gestern an, nachdem das Parlament ein Gesetz zur Schwächung der Justiz gebilligt hatte. Die Arbeitsniederlegung begann heute Morgen. In Teilen des Landes wechselte das Schichtsystem in den Feiertagsmodus, Krankenhäuser behandelten Medien zufolge nur noch Notfälle.
Notaufnahmen liefen demnach aber weiterhin im Normalbetrieb. In der vergangenen Woche hatte es aus Unmut über die Pläne der rechts-religiösen Regierung bereits einen zweistündigen Warnstreik in mehreren medizinischen Einrichtungen des Landes gegeben. Israels Dachverband der Gewerkschaften (Histadrut) kündigte an, in den nächsten Tagen über einen möglichen Generalstreik beraten zu wollen.
Mit dem neuen Gesetz ist es dem Obersten Gericht künftig nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als „unangemessen“ zu bewerten. Kritiker befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten oder aber Entlassungen begünstigen könnte. Dies betrifft Experten zufolge etwa auch die Posten der Generalstaatsanwältin oder des Polizeichefs.
Unterdessen erreichten das Oberste Gericht mehrere Petitionen gegen das frisch verabschiedete Gesetz – unter anderem von der Rechtsanwaltskammer, die mehr als 70.000 Anwälte vertritt. Die Kammer begründete die Petition damit, dass der Gesetzentwurf Teil einer umfassenderen Bemühung sei, das Rechtssystem grundlegend zu ändern. Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung könnten dann nicht mehr garantiert werden, hieß es Berichten zufolge in der Begründung.
Unklar war zunächst, wie das Oberste Gericht reagieren wird. Die Präsidentin Esther Chajut brach einen Besuch in Deutschland ab, um sich in Israel damit zu befassen. Medienberichten zufolge könnte die Prüfung der Petitionen jedoch mehrere Monate dauern.
Nach Angaben des Rechtsexperten Aejal Gross von der Universität Tel Aviv würde das Oberste Gericht komplett neues Terrain betreten. In Israel sei bisher noch nie ein Grundgesetz aufgehoben worden, nur reguläre Gesetze, die gegen das Grundgesetz verstoßen, schreibt Gross. Der Staat Israel hat keine schriftliche Verfassung und fußt stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen.
Sollte das Gericht dennoch dagegen vorgehen, warnt Gross vor möglichen Konsequenzen. „Sollte dies der Fall sein und die Regierung sich weigern, dem Urteil Folge zu leisten, könnte dies zu einer regelrechten Verfassungskrise führen.“ Denkbar wäre demnach, dass das Gericht erst mal abwartet, bis die Regierung eine eigentlich „unangemessene“ Entscheidung fällt und dann eingreift. Der Abgeordnete und Vorsitzende des Justizausschusses, Simcha Rothman, machte bereits deutlich, dass die Regierung dies nicht akzeptieren werde.
Israels früherer Ministerpräsident Ehud Olmert sprach von einer „ernsten Bedrohung“. Die Regierung habe beschlossen, das Fundament der Demokratie zu untergraben. „Und das ist nicht etwas, das wir akzeptieren oder tolerieren können“, sagte Olmert in einem Interview mit dem Sender Channel 4 News. So etwas habe es noch nie gegeben, warnte er. „Wir gehen in einen Bürgerkrieg.“
Auch aus Deutschland kamen skeptische Töne. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte dem Spiegel: „Gute Freunde müssen sich immer die Wahrheit sagen. Die Wahrheit ist: Israel war immer ein Leuchtfeuer für Demokratie und Rechtsstaat im Nahen Osten. Viele Freunde Israels haben die Sorge, dass dieses Licht nun nicht unbedingt heller scheint.“
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