Prozess um Mediator-Skandal in Frankreich wieder aufgenommen
Nanterre – Nach einjähriger Unterbrechung ist der Prozess um einen der größten Arzneimittelskandale in der Geschichte Frankreichs wieder aufgenommen worden. Vor einem Gericht in Nanterre bei Paris erschien heute der angeklagte Chef des französischen Pharmakonzerns Servier, Jacques Servier, der sich wegen schweren Betrugs im Zusammenhang mit dem Diabetes-Medikament Mediator verantworten muss. Zusammen mit Servier sind vier frühere Führungskräfte des Konzerns angeklagt. Rund 700 Betroffene treten in dem Prozess als Zivilkläger auf und hoffen auf Entschädigung.
Laut Schätzungen starben in Frankreich zwischen 500 und 2.000 Menschen an den Folgen der Einnahme von Mediator, das als Mittel zum Abnehmen auch bei Nicht-Diabetikern weit verbreitet war und zu einer Verdickung der Herzklappen führen kann. Rund fünf Millionen Menschen sollen das Medikament eingenommen haben, bis es Ende 2009 in Frankreich vom Markt genommen wurde. In Deutschland erhielt das Medikament nie eine Zulassung. Der heute 91-jährige Servier und die Mitangeklagten sollen die Nebenwirkungen des Medikaments gekannt und verheimlicht haben. Ihnen drohen bis zu vier Jahre Haft.
Der Prozess in Nanterre hatte bereits vor einem Jahr begonnen. Er wurde aber kurz nach Prozessauftakt ausgesetzt, weil Serviers Anwälte die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens anzweifelten. Denn parallel zu dem Prozess in Nanterre laufen gegen Servier und weitere Beschuldigte Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Paris, die inzwischen von Untersuchungsrichtern übernommen wurden.
Zu der Doppelung kam es, weil die Mediator-Opfer über einen vereinfachten Verfahrensweg einen raschen Prozess anstrengten, bei dem keine Ermittlungen von Staatsanwälten oder Untersuchungsrichtern notwendig sind. Im August wies Frankreichs Oberster Gerichtshof den Antrag von Serviers Anwälten zurück und machte somit den Weg frei für eine Wiederaufnahme des Prozesses in Nanterre. Dieser ist bis Mitte Juni angesetzt.
Allerdings dürften Serviers Anwälte erneut versuchen, eine Aussetzung des Prozesses zu erreichen. Auch mehrere Opferanwälte halten es für sinnvoll, das Ergebnis der Pariser Ermittlungen abzuwarten. Die Pariser Untersuchungsrichter ermitteln gegen Servier inzwischen nicht mehr nur wegen Betrugs und Täuschung, sondern auch wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung. Die Ermittlungen zu Betrug und Täuschung sollen im Sommer abgeschlossen sein, die zu fahrlässiger Tötung und Körperverletzung dürften länger dauern.
In dem Mediator-Skandal ist auch die französische Arzneimittelaufsicht unter Beschuss geraten. Eine französische Kontrollbehörde attestierte ihr 2011 „schweres Versagen", demnach gab es bereits Mitte der 90er Jahre Hinweise auf die Gefährlichkeit des Mediator-Wirkstoffs Benfluorex. Seit März läuft auch gegen die Arzneimittelaufsicht ANSM ein formelles Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung.
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