Psychische Anamnese kommt vor Rückenoperationen oft zu kurz
Baltimore – Laut einer Online-Umfrage von Forschern der Johns Hopkins University veranlassen in den USA nur etwa ein Drittel aller Unfall- und Neurochirurgen eine psychische Anamnese vor schweren Rückenoperationen. Richard Skolasky und seine Arbeitsgruppe befürchten daher, dass Patienten mit somatoformen Störungen häufig irrtümlich operiert werden. Sie veröffentlichten entsprechende Ergebnisse im Journal of Spinal Disorders and Techniques (doi:10.1097/BSD.0b013e31827d7a92).
Ein Großteil der Rückenschmerzen sind unspezifisch und nicht hinreichend durch organische Befunde erklärbar. Die Ursachen reichen von Fehl- und Überbelastungen bis hin zu psychischen Faktoren, welche die Schmerzen verursachen. Die North American Spine Society Guidelines, empfehlen vor einer Rückenoperation einen Presurgical Psychological Screening Test (PPS) durchzuführen, der psychologische Ursachen für die Schmerzen ausschließen soll.
Die Forscher sendeten zwischen Dezember 2010 und Januar 2011 340 lizensierten Wirbelsäulenchirurgen eine 20 Minuten dauernde Online-Befragung zu. Die Befragung erfasste neben dem Nutzungsgrad des PPS auch die fachlichen Qualifikation der Ärzte, die Berufserfahrung, ob sie an einer Uniklinik arbeiten sowie die behandelte Patientenzahl pro Jahr. Die Hälfte der Befragten hatte mehr als 15 Jahre Berufserfahrungen und eine weitere Hälfte war an Universitätskliniken tätig.
Von den 110 Antwortenden nutzten 41 (37 Prozent) den PPS um mögliche Depressionen oder Angststörungen im Vorfeld der Operationen auszuschließen. Besonders wenig wurde der Test von Ärzten an Unikliniken, mit weniger als 15 Jahren Berufserfahrungen oder niedrigen Behandlungszahlen (<200) pro Jahr angewendet.
Überraschend war für die Forscher, dass Kliniker an Universitätskrankenhäusern den Test seltener nutzten. Die Möglichkeit für eine spezialisierte psychologische Versorgung sei hier eher gegeben als an kleineren Krankenhäusern, meinen die Forscher.
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