Psychotherapeuten beklagen weiterhin fehlende Behandlungsplätze
Berlin – Psychisch kranke Menschen erhalten vom 1. April an einen wesentlich schnelleren Zugang zu einem Psychotherapeuten. Nach einer neuen Richtlinie können die monatelangen Wartezeiten für ein erstes Gespräch wesentlich verkürzt werden, sagte der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Dietrich Munz. Er kritisierte jedoch, dass es immer noch an ausreichend Behandlungsplätzen fehle. Und durch die Sprechstunde werde der Bedarf an Therapieplätzen eher noch zunehmen.
Zum 1. April müssen Psychotherapeuten pro Woche mindestens zwei Stunden (4 mal 25 Minuten) für Sprechstunden zur Verfügung stehen. „Die Patienten können künftig in der Sprechstunde rasch erfahren, ob sie krank sind, ob sie eine Behandlung brauchen oder ob sie nur eine Krise haben, die auch anderweitig bewältigt werden kann“, sagte Munz. In der Sprechstunde könne auch geklärt werden, ob in dringenden Fällen eine Akutbehandlung erforderlich sei. Dabei könne ohne ein langes Antragsverfahren mit der Krankenkasse rasch eine Behandlung des Patienten begonnen werden, erläuterte Munz.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hielt dem entgegen: „Wir erwarten von der Psychotherapeutenkammer, dass sie sich für die patientenorientierte Umsetzung der neuen Richtlinie einsetzt und nicht als erstes schon wieder nach mehr Geld ruft.“ Nicht die Anzahl der Therapeuten sei ein Problem, sondern dass sie nicht immer dort sind, wo sie gebraucht würden, sagte Sprecher Florian Lanz. Zudem arbeiteten viele Therapeuten in Teilzeit, obwohl sie eine ganze Zulassung hätten. „Diese Dinge zu lösen, wäre eine originäre Aufgabe der Psychotherapeutenkammer.“
Neben den Sprechstunden müssen Psychotherapeuten 200 Minuten in der Woche telefonisch erreichbar sein. Dazu müssten aber nicht sie selbst am Telefon sitzen, sondern könnten das an eine Praxishilfe delegieren. Im Prinzip könne in einem ersten Gespräch am Telefon entschieden werden, ob jemand sehr rasch in die Sprechstunde kommen sollte oder einige Tage warten könne, erläuterte Munz.
Die neue Richtlinie werde allerdings auch den Praxisablauf für Psychotherapeuten wesentlich verändern, unterstrich er. So sei etwa abzusehen, dass Patienten, wie in anderen Praxen, nicht in die vereinbarte Sprechstunde kämen. Dadurch entstünden Einnahmeausfälle. „Das ist ein Problem für die Psychotherapeutenpraxis, da diese nach Therapiestunden durchgeplant ist.“ Derzeit werde mit den Krankenkassen verhandelt, wie die Sprechstunde und eine Akutbehandlung vergütet werden.
Aber auch ohne solche unkalkulierbaren Ausfälle sei zu erwarten, dass es für die Praxen zu Mehrbelastungen komme, sagte Munz. Das könne dann zu weiteren Versorgungslücken führen, da die Zahl der Psychotherapeuten und damit die Therapiekapazität nicht zunehme.
Munz verlangte daher: „Die Bedarfsplanung in der Psychotherapie muss dringend überarbeitet werden.“ Sie müsse sich „endlich an der Häufigkeit der Erkrankungen orientieren. Und sie muss auch regionale Besonderheiten berücksichtigen.“ Das könne bedeuten, dass möglicherweise Praxissitze in den stark überversorgten Städten geschlossen und dafür auf dem Land eröffnet werden sollten, erläuterte der BPtK-Präsident.
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