Ärzteschaft

Psychotherapeuten gegen Generalverdacht psychisch kranker Menschen

  • Donnerstag, 13. November 2025
/picture alliance, Frank May
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Hannover – Die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen (PKN) weist in der Diskussion um die Reform des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) darauf hin, dass bei Menschen mit psychischen Erkrankungen kein generell erhöhtes Gewaltpotenzial besteht.

Die Auswirkungen psychischer Erkrankungen müssten differenziert betrachtet werden, hieß es gestern. Die Schweigepflicht sei darüber hinaus ein hohes Gut und sollte nur dann eingeschränkt werden dürfen, wenn dies gesichert ein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr darstelle.

„Wir nehmen unsere berufsethische Pflicht ernst, dazu beizutragen, zu verhindern, dass Menschen Gewalttaten erleiden und dadurch Schaden nehmen. Gleichzeitig ist es wichtig, psychisch erkrankte Menschen vor Stigmatisierung zu schützen“, betonte die PKN.

Als Konsequenz aus den Gewalttaten psychisch kranker Menschen, wie zuletzt am Hamburger Hauptbahnhof oder auf Kitakinder in Aschaffenburg, will die Niedersächsische Landesregierung das NPsychKG umfassend reformieren.

Mit der Neufassung des aus dem Jahr 1997 stammenden Gesetzes solle das NPsychKG an die aktuelle Rechtslage angepasst und um neue Regelungen ergänzt werden, die auch der Diskussion um öffentliche Sicherheit Rechnung tragen sollen, sagte Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) vor kurzem.

Am 4. November hat der Landtag der Novellierung zugestimmt. Nach dem parlamentarischen Verfahren solle das Gesetz am 1. Juli 2026 in Kraft treten.

Geplant ist laut Gesundheitsministerium, dass eine Unterbringung nicht nur bei einer akuten gegenwärtigen Gefahr, sondern auch bei einer sogenannten Dauergefahr möglich sein soll.

Parallel dazu sollen Polizei, Kliniken und der sozialpsychiatrische Dienst angehalten werden, ihre Daten miteinander auszutauschen. So könne bei hohem Fremdgefährdungspotenzial in bestimmten Fällen die Polizei frühzeitig informiert werden, während Kliniken personenspezifische Daten übermitteln könnten.

Dagegen spricht sich klar die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen aus: „Wir lehnen eine Aufweichung des bisher klar geregelten Gefahrenbegriffs als Voraussetzung einer freiheitsentziehenden Unterbringung oder einer Meldung an die Sicherheitsbehörden zu Gunsten einer weiter gefassten Regelung mit unklarer Präventionswirksamkeit ab.“

Zielführender ist der PKN zufolge niedrigschwelligere Behandlungszugänge zu schaffen, psychotherapeutische und psychiatrische Behandlungskapazitäten auszubauen und Präventionsangebote zu fördern. Nötig seien auch eine ausreichende Personalausstattung an Kliniken und sozialpsychiatrischen Diensten, Nachsorgeangebote sowie Sprachmittlung für notwendige psychotherapeutische Behandlungen.

Gesamtgesellschaftlich müsse darüber hinaus gewaltbegünstigenden Faktoren begegnet werden, etwa durch Maßnahmen zum Abbau von Wohnungslosigkeit und verhältnispräventiven Maßnahmen im Bereich Suchtmittelkonsum. Die geplante Novellierung des NPsychKG sollte in diesem Sinne als Chance genutzt werden, regt die PKN an.

PB

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