Ratschlag zur Flüssigkeitsaufnahme bei Infekten kaum evidenzbasiert

London – Der Ratschlag, bei grippalen Infekten viel Flüssigkeit aufzunehmen, ist nicht immer gut. Im British Medical Journal veröffentlichten Laura Christine Lee und Maryann Noronha vom King's College London einen Fallbericht, in denen das Trinken zu einer lebensbedrohlichen Hyponatriämie geführt hat (2016; doi: 10.1136/bcr-2016-216882).
Bei milden Infektionskrankheiten wie Erkältungen, manchen Harnwegsinfekten oder Bronchitiden geben viele Ärzte ihren Patienten den Hinweis, viel zu trinken, berichten die Autoren. Dahinter stehe die Vorstellung, dass durch die erhöhte Flüssigkeitsaufnahme die Urin- oder Sekretproduktion angestoßen werde und so Krankheitserreger ausgeschwemmt würden. Eine gut belastbare Evidenz besteht laut Autoren aber nicht.
Sie berichten über den Fall einer 59-jährigen sonst gesunde Frau, die an einem Harnwegsinfekt litt. Im Glauben, sich etwas Gutes zu tun, trank die Patientin mehrere Liter Wasser. Im Verlauf entwickelte sie ein Zittern, erbrach mehrfach und litt unter Sprachstörungen. Unter der Verdachtsdiagnose eines Schlaganfalls wurde die Patientin ins Royal London Hospital eingeliefert.
Es stellte sich heraus, dass sie durch das Trinken eine ausgeprägte Hyponatriämie mit 123 mmol/L entwickelt hatte (Referenz 135–145 mmol/l). Nach einer Restriktion der Trinkmenge auf einen Liter normalisierten sich die Elektrolytwerte und die Patientin konnte bereits am Folgetag entlassen werden. Die Forscher berichten über einen weiteren sehr ähnlichen Fall, in dem eine junge gesunde Frau nach exzessivem Trinken bei Gastroenteritis eine Hyponatriämie entwickelte.
Hyponatrimänien unter 125 mmol/l gehen laut Autoren mit einer Sterblichkeit bis zu 30 Prozent einher. Nierengesunde Erwachsene hätten auch bei exzessivem Trinken allerdings nur ein geringes Risiko, eine Hyponatriämie zu entwickeln. Da es jedoch an randomisierten Studien fehle, die einen Vorteil für das exzessive Trinken zeigten, empfehlen die Wissenschaftler ein normales Trinkverhalten bei milden Infektionserkrankungen.
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