Rauchen könnte Schizophrenie-Risiko erhöhen
London – Der häufig hohe Zigarettenkonsum von Patienten mit einer Schizophrenie könnte ein begünstigender Faktor für den Ausbruch der Erkrankung sein. Das schließen Forscher des King's College London aus einer Metaanalyse von 62 Studien mit fast 290.000 Teilnehmern. Die Wissenschaftler um James MacCabe veröffentlichten ihre Studie in The Lancet Psychiatrie (doi: http://dx.doi.org/10.1016/S2215-0366(15)00152-2)
Die Mehrheit von Patienten (rund 85 Prozent), die an einer Schizophrenie erkranken, sind starke Raucher. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass die ausgesprochen hohe Raucherprävalenz auf eine Art Selbstmedikation der Patienten zurückzuführen ist. Das Rauchen erleichtert laut dieser These den Umgang mit den Symptomen und könnte laut tierexperimenteller Studien Einfluss auf den GABA-Stoffwechsel im Hirn nehmen.
Wissenschaftler der Universität Köln und Zürich fanden außerdem Hinweise, dass Rauchen die Aktivität von Risikogenen für die Schizophrenie erhöht (doi:10.1073/pnas.1118051109). Einen gesicherten ursächlichen Zusammenhang für das Rauchen und eine Schizophrenie gibt es bisher laut der Arbeitsgruppe aber nicht.
Die Forscher bezogen 62 Studien mit 14.555 Rauchern und 273.162 Nichtrauchern in ihre Analyse ein. Sie verglichen den Beginn des Rauchens und der Erkrankung und berechneten die Odds Ratio für eine schizophrene Erkrankung.
Zum Zeitpunkt der ersten Erkrankungsepisode waren 57 Prozent der Patienten Raucher. In Fall-Kontroll-Studien konnten die Forscher eine dreifach höhere Erkrankungschance errechnen und in prospektiven Kohortenstudien eine doppelt so hohe. Während Patienten nicht wesentlich früher anfingen zu rauchen als gesunde Kontrollen (0,44 Jahre), erlitten Raucher im Durchschnitt ein Jahr früher die erste schizophrene Episode als Nichtraucher.
Den vergleichbaren Beginn des Rauchens bei Patienten und Gesunden sehen die Forscher als Hinweis, dass schizophrene Patienten Zigaretten nicht als Selbstmedikation in der Prodromalphase ihrer Erkrankung nutzen. Im Zusammenhang mit dem häufigem Tabakkonsum bei der ersten Episode (57 Prozent) spreche dies eher für einen möglichen kausalen Zusammenhang. Nikotin verstärke zudem den überbordenden Dopaminhaushalt im Gehirn der Erkrankten, sodass auch pathophysiologisch plausible Erklärungsansätze existieren.
Die Forscher raten daher davon ab, das Rauchen als bloße Begleiterscheinung oder einen Versuch der Selbstmedikation zu sehen. Tabak könnte einer der entscheidenden Risikofaktoren für eine schizophrene Erkrankung sein, lautet das Fazit der Wissenschaftler.
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