Politik

Rechenzentren der Apotheken verkaufen angeblich Patientendaten

  • Montag, 19. August 2013
dapd
dpa

Hamburg – In Deutschland werden nach Spiegel-Angaben Millionen Ärzte und Patienten ausgespäht. Das süddeutsche Apothekenrechenzentrum VSA verkaufe Patientendaten in unzureichend verschlüsselter Form an Marktforschungsunternehmen wie den US-Konzern IMS Health, berichtete das Magazin am Sonntag. Demnach verfolgt IMS Health die Krankheiten von über 300 Millionen Patienten – darunter „42 Millionen verschiedene gesetzlich Versicherte“ in Deutschland. Das Unternehmen wies den Vorwurf der Ausspähung zurück.  

„Viele Patientenkarrieren sind zurück bis 1992 verfolgbar“, zitierte das Magazin aus einem internen Papier. Dem Spiegel liegt nach eigenen Angaben ein Angebot des in mehr als hundert Ländern aktiven IMS-Konzerns an den französischen Pharmariesen Sanofi-Aventis vom April 2012 vor. Darin biete IMS die Informationen aus Insulinrezepten für 86.400 Euro an – „patientenindividuell“ und mit „zwölf Monats-Updates“.  

Bei der Lieferung von Rezeptdaten an IMS werde die Identität der Patienten lediglich durch einen 64-stelligen Code verschleiert, berichtete das Magazin. Dieser lasse sich jedoch leicht zurückrechnen auf die tatsächliche Versichertennummer, wie vertrauliche Dokumente belegten. Zusätzlich würden auch Alter und Geschlecht der Patienten an die Marktforscher weitergegeben. Pro Rezeptdatensatz von deutschen Versicherten zahle der IMS-Konzern teils unter 1,5 Cent an Apothekenrechenzentren, heißt es weiter in dem Bericht.    

„IMS Health erhält von Apothekenrechenzentren keine personenbezogenen Daten und benötigt diese auch nicht“, erklärte die deutsche Vertretung des US-Konzerns in Frankfurt am Main zu dem Bericht. Die Spiegel-Behauptung, es würden millionenfach Patienten- und Arztdaten ausgespäht, sei falsch. Es sei auch „unzutreffend, dass Patientenidentitäten nur verschleiert werden oder rückrechenbar seien“.  

Der Handel mit Rezeptinformationen sei „einer der größten Datenskandale der Nachkriegszeit“, kritisierte der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, dem Spiegel. „Es wäre traurig, wenn die Dienstleister des Vertrauensberufs Apotheker erst durch Gerichtsprozesse zur Vertraulichkeit zu veranlassen wären.“  

Die Piratenpartei forderte einen wirksam Schutz der Patienten vor dem Handel mit Gesundheitsdaten. Die Bürger „müssen wissen, welche Daten wo und wie gespeichert und verarbeitet werden und selbst darüber bestimmen können“, erklärte Piraten-Generalsekretär Sven Schomacker in Berlin. Notwendig sei eine generelle Prüfung der Weitergabepraxis von Verschreibungsdaten an Dritte. Ohne belegbaren Nutzen für die Patienten sei eine solche Weitergabe nicht vertretbar.

afp

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