Medizin

Resveratrol: Studie findet keinen Hinweis auf gesundheitliche Vorteile des Rotweinbestandteils

  • Dienstag, 13. Mai 2014
Uploaded: 13.05.2014 13:19:58 by mis
dpa

Baltimore – Obwohl Resveratrol, das Weintrauben, Pflaumen, Erdnüsse und eine Reihe anderer Früchte vor Krankheiten schützt, sich mittlerweile in Nahrungsergänzungsmitteln als Antioxidans und Anti-Aging-Mittel gut verkauft, fehlt jeglicher Beweis einer medizi­nischen Wirkung. Eine prospektive Kohortenstudie in JAMA Internal Medicine (2014; doi: 10.1001/jamainternmed.2014.1582) lässt weitere Zweifel aufkommen.

Resveratrol kann in vitro Entzündungszellen stoppen und bei Mäusen die Lebenszeit verlängern, ohne dass die Tiere dafür hungern müssen. Das Molekül hemmt das Enzym Sirtuin und ahmt dadurch die Wirkung einer Kalorienrestriktion nach. Sein hoher Gehalt in Rotwein soll erklären, warum Franzosen trotz eines hohen Rotweinkonsums länger leben als abstinente Angelsachsen (auch wenn Franzosen immer weniger Rotwein trinken und Großbritannien zu den wichtigsten Importeuren für französische Weine gehört).

Dieses „French paradox“ war in den letzten Jahren Gegenstand einiger weniger klinischer Studien, in denen günstige Auswirkungen auf die endotheliale Dysfunktion oder das C-reaktive Protein beobachtet wurden, die sich bis auf die genetische Ebene verfolgen ließen. Dies sind Hinweise, aber keine Beweise, dass Resveratrol (oder der Konsum Resveratrol-haltiger Nahrungsmittel) eine günstige klinische Wirkung für gesunde oder kranke Menschen hat.

Wie schnell sich klinische Hoffnungen zerschlagen können, zeigte sich jüngst in einer Phase-2-Studie an Patienten mit multiplem Myelom. Sie musste vorzeitig abgebrochen werden, weil es unter der oralen Therapie mit mikronisiertem Resveratrol zu schweren Nebenwirkungen bis zum Nierenversagen gekommen war, wie Richard Semba von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore und Mitarbeiter in ihrer Publikation berichten.

Dort geht es um die Auswirkungen einer resveratrolreichen Kost auf die Lebenser­wartung von Bewohnern zweier Ortschaften in der Toskana. Die Studie wurde von zwei italienischen Forschern begonnen, die ebenfalls zum aktuellen Team gehören. Seit 1998 begleiten sie eine Stichprobe von 1.270 Senioren. Das ursprüngliche Ziel der „Invecchiare in Chianti“ oder InCHIANTI-Studie war die Suche nach Risikofaktoren für den Verlust der Gehfähigkeit im Alter.

Mit finanzieller Unterstützung des US-National Institute on Aging werden jedoch inzwischen weitere Fragen gestellt, beispielsweise der Einfluss von Resveratrol auf die Lebenserwartung. Semba konnte hierbei auf die in einer Biobank archivierten 24-Stunden-Urinproben zurückgreifen, die die Teilnehmer zu Beginn der Studie abgegeben hatten. In ihnen bestimmten die Forscher mit modernen Massen­spektrometern die Konzentration verschiedener Resveratrol-Metabolite und setzten sie mit der Lebenserwartung der Teilnehmer in Beziehung.

In den ersten neun Jahren seit Beginn der Studie ist ein Drittel der Teilnehmer verstorben. Ein Zusammenhang mit der Konzentration der Resveratrol-Metabolite war nicht erkennbar. Die Teilnehmer mit den niedrigsten Konzentrationen hatten sogar tendenziell das niedrigste Sterberisiko. Die Hazard Ratio des unteren Quartals betrug 0,80. Das 95-Prozent-Konfidenzintervall reichte von 0,54 bis 1,17 und schließt damit am oberen Ende eine protektive Assoziation (plus 17 Prozent) nicht völlig aus.

Insgesamt ging die Tendenz jedoch in die andere Richtung. Auch die sorgfältige Berücksichtigung anderer Faktoren von Alter und Geschlecht über Ausbildung und kognitive Funktion bis zu Body-Mass-Index, Blutdruck, Cholesterin und Begleiterkran­kungen veränderte die Ergebnisse nicht. Die Resveratrol-Konzentrationen zeigten auch keinerlei Assoziationen zu Entzündungsparametern (C-reaktives Protein, verschiedene Interleukine und Tumornekrosefaktor) oder zum Auftreten von Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Am Ende gibt sich Semba desillusioniert. Die Geschichte von Resveratrol könnte ein weiteres Beispiel für einen Medienrummel sein, der den Test der Zeit nicht bestehe. Allein in den USA würden jährlich 30 Millionen Dollar mit resveratrolhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln umgesetzt, obwohl zur Wirkung nur beschränkte und widersprüchliche klinische Daten vorlägen und die Sicherheit einer hochdosierten Supplementation bei älteren Menschen nicht belegt sei.

rme

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