Dr. werden ist nicht schwer...
Revolution: Rettung des deutschen Gesundheitswesens im Anmarsch
Neulich bin ich erstmals seit geraumer Zeit wieder in einem Regionalzug von einem Kontrolleur geweckt und auf eine korrekt gelöste Fahrkarte überprüft worden. „Eigentlich ein normaler Vorgang“, mag man meinen. Das Besondere daran: Der Kontrolleur schob zugleich einen kleinen Servierwagen mit Knabberkram und Getränken (als ich sah, welchen Wein der Wagen geladen hatte, musste ich unwillkürlich über den „Kater“ in „Catering“ nachdenken). Zunächst war ich irritiert und zückte einfach nur meine Fahrkarte. Nach kurzem Überlegen freute ich mich jedoch, weil diesmal niemand mehr an jenem frühen Morgen direkt neben schlafenden Fahrgästen „Kaffee?“ rufen würde.
Doch anstatt wieder einzuschlummern, verlor ich mich in Gedanken. Wenn der (nennen wir ihn mal überholt) Schaffner noch einen Müllbeutel an seinem Wagen anbrachte, könnte er auch noch den gelegentlich gesichteten Mülleinsammler ersetzen. Ein Notizblock würde aus ihm einen Datensammler für die Fahrgastforschung machen. Und der Freiraum im Zugführerbereich könnte als Stauraum genutzt werden, und der Zug könnte die Packstationen deutscher Bahnhöfe miteinander vernetzen.
Soweit, so verstörend. Aber wirklich entgeistert war ich erst, als ich dieses Prinzip auf meine Arbeit übertrug. In Zeiten, in denen Kliniken anstelle des realen Arbeitsaufwands Fallzahlkoeffizienten zur Berechnung der richtigen Ärztezahl heranziehen, um selbst in einer profitablen Abteilung mit wachsenden Fallzahlen und steigendem Case-Mix-Index Stellen zu streichen, sind derartige Aufgabenbündelungen nicht mehr fern.
Demnach stelle ich mir die Visite im Jahr 2015 in etwa so vor:
Die Ärzte beginnen den Arbeitstag gemeinsam mit der Pflegefrühschicht. Zur Visite, die ebenfalls um mindestens eine Stunde vorgezogen wird, führen die Ärzte neben einem Verbandswagen auch einen Wagen mit Waschmaterial und den Frühstückswagen mit. Während also nun der Chefarzt und ein Oberarzt den Patienten zu seinem Wohlergehen befragen, über Befunde und Procedere aufklären und alles penibel für den MDK in der Kurve dokumentieren, bearbeiten die übrigen Mitvisitierenden den Patienten in Boxenstoppmanier von allen Seiten.
Schnell unter den Achseln waschen, Thermometer drunter, Pflaster ab, Klammern raus, desinfizieren, neues Pflaster drauf, Frühstück auf den Ausklapptisch und auf zum nächsten Patienten. Der ganze Vorgang darf nur so lange dauern, bis das Thermometer piept. Somit bekämen fiebernde Patienten auch mehr Zuwendung. Ein eigentlich gar faires System.
Wie sich das Personal, das den Patienten vielhändig in Formel-1-Reifenwechselzeit versorgen soll, zusammensetzt, kann der Fantasie überlassen werden. Hat die Abteilung noch Assistenten? Gibt es in dieser Schicht noch examiniertes Pflegepersonal? Vermutlich wird der Verbandswechsel an einem Oberarzt hängenbleiben. Das Waschen kann ebenso wie das Frühstück eine unbezahlte Kraft erledigen. Somit hält man der Pflege den Rücken frei, um das Stationstelefon zu beantworten, Patienten durchs Haus zu schieben oder Röntgentüten, von denen man immer noch nicht ganz weggekommen ist, zu suchen.
Hatte nicht mal einen Kaffee, in dem etwas hätte sein können, das solche Gedanken erzeugt,
Euer Anton Pulmonalis
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