Abtreibungsrecht spielt im US-Wahlkampf wichtige Rolle

Washington – Noch nie hat das Thema Schwangerschaftsabbrüche eine so große Rolle im US-Präsidentschaftswahlkampf gespielt wie dieses Mal. Denn es ist die erste Präsidentschaftswahl, seit der Oberste Gerichtshof das bundesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch vor zwei Jahren gekippt hat.
Vize-Präsidentin Kamala Harris hat das Thema zu einem der wichtigsten ihrer Kampagne gemacht. Kann die Bewerberin der Demokraten damit das Rennen ums Weiße Haus für sich entscheiden?
Harris setzt sich vehement dafür ein, dass Frauen selbst über ihren Körper und den Abbruch einer Schwangerschaft bestimmen können. Die Demokratin macht ihren republikanischen Rivalen Donald Trump für die tragischen Schicksale von Frauen verantwortlich, die durch das inzwischen in zahlreichen Bundesstaaten geltende restriktive Abtreibungsrecht zu Schaden kommen. Nicht selten sind Frauen derzeit gezwungen, in andere Bundesstaaten zu reisen, um etwa eine lebensbedrohliche Schwangerschaft abbrechen zu können.
„Dies ist eine Krise im Gesundheitswesen, und Donald Trump ist ihr Architekt“, sagte Harris vor kurzem bei einem Wahlkampfauftritt in Georgia. Dort war eine Frau nach Komplikationen bei einer Abtreibung gestorben, weil sie wegen des restriktiven Gesetzes in dem Bundesstaat zu spät behandelt wurde.
Während seiner Zeit als Präsident hatte Trump drei konservative Richter für den Supreme Court nominiert und auf diese Weise dafür gesorgt, dass diese beim Obersten Gerichtshof nun in der Mehrheit sind. 2022 schafften die Richter dann das seit fast 50 Jahren in den USA geltende landesweite Recht auf Abbrüche ab.
Seither liegt die Zuständigkeit für das Abtreibungsrecht bei den einzelnen Bundesstaaten, rund 20 von ihnen haben Schwangerschaftsabbrüche verboten oder stark eingeschränkt. In manchen Staaten ist ein Abbruch selbst bei Vergewaltigung und Inzest verboten.
Trump brüstet sich gegenüber seiner erzkonservativen Wählerschaft damit, die Entscheidung des Supreme Court maßgeblich herbeigeführt zu haben. Er bestreitet jedoch, ein landesweites Abtreibungsverbot anzustreben, wie es ultrakonservative Wissenschaftler und Aktivisten fordern. Vielmehr möchte er die Zuständigkeit weiterhin den einzelnen Bundesstaaten überlassen. Dort ist die Frage jedoch vielfach hoch umstritten.
Und so können am 5. November können die Wählerinnen und Wähler nicht nur zwischen Harris und Trump entscheiden. In zehn Bundesstaaten finden gleichzeitig Referenden zum Schwangerschaftsabbruch statt, die Millionen Frauen betreffen. Die Demokratische Partei setzt darauf, dass diese Abstimmungen Wähler zu ihren Gunsten mobilisieren.
„In der Regel entscheidet die Wahlbeteiligung über den Ausgang einer Wahl“, sagte die Politikwissenschaftlerin Samara Klar von der University of Arizona und nennt als Beispiel die Kongresswahl von 2022. Damals hätten Wählerinnen in jenen Bundesstaaten, in denen das Recht auf Abbrüche auf dem Spiel stand, zum unerwartet guten Ergebnis der Demokraten beitragen. Umfragen zufolge befürwortet eine Mehrheit der US-Bürger die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch.
Seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs positionierten sich die Demokraten als Partei für die reproduktiven Rechte, sagte Benjamin Case von der Arizona State University. „Harris weiß, dass es ihr nur helfen kann, wenn mehr Menschen über dieses Thema nachdenken, wenn sie die Demokraten und sie mit dem Thema in Verbindung bringen.“ Unter Frauen ist die Wahlbeteiligung größer als unter Männern und der Anteil der Harris-Wählerinnen ist deutlich höher als jener der Trump-Wählerinnen.
Arizona zählt zu jenen Bundesstaaten, in denen das Rennen zwischen Trump und Harris äußerst knapp ist. Und dort stimmen die Wähler am 5. November in einem Volksentscheid darüber ab, ob die Frist für Abbrüche von derzeit 15 Wochen bis zum Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus – etwa der 24. Woche – ausgedehnt werden soll. Die Demokraten hoffen, dass dieser Volksentscheid besonders viele zum Wählen motiviert, die dann auch Harris ihre Stimme geben.
„Wenn es so knapp ist wie in Arizona, kann alles den Ausschlag geben“, sagt Politikwissenschaftlerin Klar.
In fünf Bundesstaaten, darunter New York, Colorado und der ebenfalls hart umkämpfte Staat Nevada, entscheiden die Wähler, ob der Schutz des Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche gestärkt werden soll. In den anderen fünf Bundesstaaten könnten Verbote aufgehoben oder das Zeitfenster für einen Abbruch deutlich verlängert werden.
„Ich wäre nicht schockiert, wenn jede einzelne Abstimmung über das Recht auf Abtreibung erfolgreich wäre“, sagte Case. Seit 2022 hat sich das Recht auf Abbrüche jedes Mal durchgesetzt, wenn das Thema zur direkten Abstimmung gestellt wurde – selbst in konservativen Bundesstaaten wie Kansas und Kentucky.
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