Antimikrobielle Resistenzen: Erhebliche Unterschiede hinsichtlich der 2030er-Ziele in Europa

Stockholm – Trotz Verbesserungen in einigen Bereichen geraten die Ziele, die sich die Europäische Union (EU) im Hinblick auf antimikrobielle Resistenzen (AMR) für 2030 gesteckt hat, ins Wanken. Darauf weisen die Daten des European Antimicrobial Resistance Surveillance Network (EARS-Net) für das Jahr 2023 hin, die das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) heute anlässlich des Europäischen Antibiotikatages veröffentlicht hat.
Insgesamt nahm der EU-weite Verbrauch von Antibiotika von 2019 bis 2023 um einen Prozent zu, wie die aktuellen Daten zeigen – ein weiterer Schritt weg von dem für 2030 vom Rat der EU vorgeschlagenen Ziel, den Verbrauch um 20 Prozent zu senken.
Dabei schwanken die Zahlen zwischen den einzelnen europäischen Ländern. Nur in Finnland wurde den aktuellen Daten zufolge das Ziel erreicht, weitere neun Staaten befinden sich auf einem guten Weg. Allerdings zeigte sich in 15 Staaten ein deutlicher Anstieg beim Einsatz von Antibiotika. Für Deutschland lagen keine Angaben vor.
Darüber hinaus ließ sich weiteren Auswertungen zufolge im gleichen Zeitraum die Zahl der Infektionen mit methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA) im Blut signifikant um fast 18 Prozent senken – Ziel ist eine Reduktion um 15 Prozent. Aber auch hier zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Staaten.
Während 13 Länder, darunter Deutschland, das Ziel erreichten, und zwei auf einem guten Weg dahin waren, nahmen in elf Ländern MRSA-Infektionen teilweise erheblich zu. Die Spanne reichte von einem Anstieg von 1,9 Prozent in Spanien bis zu 133 Prozent in Kroatien.
Gleichzeitig verschlechterte sich jedoch die Situation in anderen kritischen Bereichen. So stieg die Inzidenz der Infektionen mit carbapenemresistenten Klebsiella pneumoniae im Blut um beinahe 60 Prozent an, angestrebt wird ein Rückgang um fünf Prozent.
In Deutschland zeigte sich, wie in den meisten Mitgliedsstaaten, ein Anstieg – um 25 Prozent. Dies sei eine wachsende Bedrohung für die Versorgung europaweit, vor allem weil es nur wenige Behandlungsmöglichkeiten gibt, betonte ECDC-Direktorin Pamela Rendi-Wagner.
„Der Fortschritt in der Europäischen Union ist nur so gut, wie der Fortschritt, den jeder einzelne Mitgliedsstaat erzielt“, betonte Rendi-Wagner. Bezogen auf die einzelnen Länder ergebe sich ein sehr buntes Bild. Sie forderte daher, die Entwicklungen zwischen den Mitgliedstaaten zu harmonisieren, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Lösungen zu finden: „Diese gemeinsamen Anstrengungen sind ein wichtiger Eckpfeiler, um unsere Ziele für 2030 zu erreichen.“
Das ECDC, so Rendi-Wagner, rufe zu Maßnahmen in drei Schlüsselbereichen: Prävention und Kontrolle von Infektionen, umsichtiger Umgang mit antimikrobiellen Substanzen sowie die Entwicklung von und Zugang zu neuen Wirkstoffen.
So machten mit dem Gesundheitssystem assoziierte Infektionen 70 % der AMR-bedingten Gesundheitsbelastung in der EU aus. Daher sollten Krankenhäuser grundlegende, aber entscheidende Maßnahmen zur Infektionsprävention und -bekämpfung priorisieren, zum Beispiel:
Verbesserte Handhygiene, Desinfektion der Hände
Mehr Mitarbeitende, die für die Infektionsprävention und -kontrolle zuständig sind, und entsprechende Schulungen
Mehr Screening auf Träger von resistenten Bakterien
Mehr Kapazitäten für die Isolierung von Betroffenen, um die Verbreitung der resistenten Bakterien zu verhindern
Das ECDC setze sich weiterhin für umfassende Antibiotika-Stewardship-Programme ein, um die richtige Wahl bei der Verordnung von Antibiotika zu fördern, berichtete Rendi-Wagner. Das müsse sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich, der für ungefähr 90 Prozent des Antibiotikaeinsatzes verantwortlich ist geschehen.
Darüber hinaus müssten neue antimikrobielle Substanzen entwickelt werden. Dies sei für die Behandlung von Patienten mit Infektionen, die selbst gegen die Reserveantibiotika resistent sind, unerlässlich.
„Der Kampf gegen die Antibiotikaresistenz ist ein Kampf, den wir gemeinsam führen müssen“, sagte die ECDC-Direktorin. Dabei spielten alle eine Rolle: die politischen Entscheidungsträger, die Gesundheitsdienstleister, die Patienten, die Ärzte, die Öffentlichkeit und jede einzelne Person. Sie wies darauf hin, dass hinter den Statistiken und Zahlen echte Menschen, Familien stünden, deren Leben von AMR betroffen sind.
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