Einsatz in Kamal-Adwan-Krankenhaus beendet
Gaza/Tel Aviv – Israels Streitkräfte haben einen dreitägigen Großeinsatz im Kamal-Adwan-Krankenhaus im Norden des Gazastreifens beendet und dabei nach eigenen Angaben 240 mutmaßliche Hamas-Kämpfer gefangen genommen. Unter den Festgenommenen war auch der Direktor der betroffenen Klinik in Beit Lahia, Hussam Abu Safeia, wie die Armee mitteilte. Er werde verdächtigt, ein „Terror-Kader“ der islamistischen Hamas zu sein.
Die israelischen Streitkräfte hatten am vergangenen Freitagmorgen das Krankenhaus angegriffen. In der Klinik war laut Armee eine Kommandozentrale der Hamas aktiv. Unter den Festgenommenen seien auch Kämpfer des mit der Hamas verbündeten Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ). Einige Milizionäre hätte sich als Patienten verkleidet, andere Widerstand geleistet. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Die Armee hatte betont, sie habe bei ihrem Vorgehen Zivilisten, Patienten und Mitarbeiter der Klinik geschont und im Einklang mit dem Völkerrecht behandelt. Aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen hieß es, es habe mehrere Verletzte bei dem Einsatz gegeben.
Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde teilte mit, der Direktor Hussam Abu Safeia und Dutzende Mitarbeiter seien festgenommen und für Verhöre in eine Einrichtung gebracht worden. Dafür gab es keine Bestätigung von israelischer Seite. Einige Mitarbeiter sollen mittlerweile wieder freigelassen worden sein.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warf der Armee vor, das Gesundheitssystem in dem abgeriegelten Küstengebiet systematisch zu zerlegen. Das sei ein Todesurteil für Zehntausende Palästinenser, schrieb die UN-Organisation auf X. Medizinische Kreise im Gazastreifen berichteten am Morgen zudem von neun Toten nach einem israelischen Angriff, der ein Haus im Flüchtlingsviertel Al-Maghasi im zentralen Abschnitt des Küstengebiets getroffen haben soll.
Israels Gesundheitsministerium legte zudem einen Bericht an die UN-Sonderberichterstatterin für Folter, Alice Jill Edwards, vor, in dem die schweren Misshandlungen der Geiseln durch ihre Entführer beschrieben wird. Er stützt sich auf die Erkenntnisse von Ärzten, die mehr als 100 Geiseln behandelten, die entweder freigelassen oder befreit wurden.
Unter ihnen waren Männer, Frauen und Kinder. Nahezu alle waren körperlicher, seelischer und sexualisierter Gewalt unterworfen. Typisch seien Methoden, die Willenskraft der Entführten zu brechen, etwa durch Isolationshaft, Hunger, Schlafentzug, Gewalt, Drohungen und Nicht-Behandlung von Verletzungen und chronischen Erkrankungen.
Geiseln wurden von ihren Peinigern geschlagen, gefesselt und an den Haaren gezogen, ihnen wurden Nahrung und Wasser verweigert und Brandwunden zugefügt. Oft wurden sie unter schlimmsten hygienischen Bedingungen festgehalten. Manchmal wurden schmerzhafte medizinische Behandlungen ohne Betäubung vorgenommen. Frauen waren sexuellen Angriffen ausgesetzt, mussten sich etwa vor ihren männlichen Geiselnehmern ausziehen und Berührungen erdulden.
Geiselnahme und Gefangenschaft waren für die Betroffenen traumatische Erfahrungen. „Die medizinischen und psychosozialen Teams gehen davon aus, dass substanzielle Mittel und maßgeschneiderte Therapien nötig sind, um die Rehabilitation und Reintegration der zurückgekehrten Geiseln zu bewerkstelligen“, heißt es in dem Bericht.
Beim Terrorüberfall auf den Süden Israels am 7. Oktober des Vorjahrs hatten die Hamas und ihre Verbündeten 1.200 Menschen getötet und weitere 250 in den Gazastreifen verschleppt. Rund 100 von ihnen befinden sich noch in der Gewalt ihrer Entführer, viele von ihnen dürften schon tot sein. Das Massaker der Islamisten war Auslöser des Gaza-Kriegs.
Monatelange Verhandlungen, die zur Freilassung der Geiseln und der Beendigung des Kriegs führen sollen, blieben bislang ergebnislos. Kritiker Netanjahus geben weitgehend ihm die Schuld daran. Aus ihrer Sicht hat der Regierungschef kein Interesse an einem Ende des Kriegs, weil ein solches seine Machtstellung in Israel gefährden würde.
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