Ausland

Erstmals seit zehn Jahren Masern-Todesfall in den USA

  • Donnerstag, 27. Februar 2025
/nobeastsofierce, stock.adobe.com
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Austin – Im Zuge eines Masernausbruchs im US-Bundesstaat Texas ist ein Schulkind an der Erkrankung gestorben. Es war nicht gegen das hochansteckende Virus geimpft und vergangene Woche in ein Krankenhaus in der Stadt Lubbock eingewiesen worden, wie die texanische Gesundheitsbehörde gestern mitteilte. Es sei die erste Masernerkrankung mit Todesfolge in den USA seit zehn Jahren, berichteten US-Medien.

Seit Ende Januar sind in Texas 124 Masernfälle bestätigt worden, darunter 18 Hospitalisierungen. Den Behördenangaben zufolge handelt es sich bei vielen Betroffenen um Schulkinder, die nicht gegen Masern geimpft waren oder deren Impfstatus nicht bekannt ist.

Eine weitere Ausbreitung des Virus wird als wahrscheinlich angesehen. Die Gesundheitsbehörde betonte, der beste Schutz gegen die gefährliche Infektionskrankheit seien Impfungen, etwa die Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln.

Der neue US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. sagte, seine Behörde verfolge den Ausbruch genau. Die Krankheit sei aber nichts Außergewöhnliches: „Es ist nicht ungewöhnlich. Masernausbrüche gibt es jedes Jahr.“

Die meisten Krankenhauseinweisungen in Texas seien hauptsächlich aus Quarantänezwecken erfolgt, ergänzte er. Dem widersprachen jedoch örtliche Ärzte, wie der Sender CNN berichtete. Die meisten Patienten seien wegen Atemwegsproblemen aufgenommen worden.

Die Masern seien der Vorbote einer bevorstehenden Gesundheitskrise, sagte der Kinderarzt und Infektiologe Paul Offit, der Mitglied des Komitees für Impfempfehlungen bei der Arzneimittelbehörde FDA ist.

Im Jahr 2000 hatten die USA die Elimination der Masern verkündet. Infolge der COVID-Pandemie sei die Impfquote allerdings zurückgegangen, sagt Offit. Seither ist das Misstrauen gegenüber den Gesundheitsbehörden und Pharmaunternehmen gewachsen. Immer mehr Eltern entscheiden sich dagegen, ihre Kinder immunisieren zu lassen.

Der Anteil der Kinder im Vorschulalter, die gegen Masern geimpft sind, ist in den USA von gut 95 Prozent im Schuljahr 2019/20 auf rund 93 Prozent 2023/24 gesunken. Herdenimmunität ist damit nicht mehr gegeben – und das, obwohl die Impfung verpflichtend ist. In einigen Regionen ist der Anteil nicht gegen Masern immunisierter Kinder sogar noch größer als im US-Durchschnitt, im Bundesstaat Idaho beispielsweise sind nicht einmal 80 Prozent der Kindergartenkinder gegen Masern geimpft.

Diese Tendenz könnte sich unter der neuen Regierung noch verstärken. Kennedy stellte vor seiner Zeit als Minister immer wieder die Sicherheit von Impfstoffen infrage und verbreitete Falschinformationen über sie. Selten gewordene Infektionskrankheiten breiten sich wieder aus.

„Es ist eine Katastrophe, die nur darauf wartet, zu geschehen und sie wird geschehen“, prophezeit Offit. „Unsere Immunisierungsraten sind bereits niedrig genug, dass gefährdete Kinder diese Krankheiten bekommen“, sagte auch die Wissenschaftlerin Jennifer Herricks, die sich in Louisiana für Impfungen einsetzt.

In diesem Bundesstaat häufen sich derzeit Fälle von Keuchhusten. Zwei Kinder starben lokalen Medienberichten zufolge bereits daran. Wie bei den Masern machen Experten Ausnahmeregelungen bei den Impfungen dafür verantwortlich.

In weiten Teilen der USA können Eltern auch aus nicht medizinischen Gründen verpflichtende Impfungen für ihre Kinder ablehnen. Viele Bundesstaaten erlauben Ausnahmen aus religiösen Gründen, während andere „philosophische“ Einwände zulassen – oder beides.

„In Texas kann man einfach sagen: Ich will nicht“, erklärte Terri Burke vom texanischen Verband Immunization Partnership. Die meisten der aktuellen Masernfälle wurden aus einem Verwaltungsbezirk in Texas gemeldet, in dem viele Mennoniten leben – eine konservative christliche Sekte. Das weckt Erinnerungen an die Masernepidemie 2019 mit mehr als 1.100 Fällen in orthodoxen jüdischen Gemeinden in New York und New Jersey.

Die Gründe für die Impfskepsis sind unterschiedlich: Sie reichen von religiösen Überzeugungen, der Angst vor Nebenwirkungen bis hin zu Misstrauen gegen Behörden oder mangelnder Gesundheitsversorgung.

Richard Hughes von der George-Washington-Universität sieht jedoch einen eindeutigen Zusammenhang mit der Coronapandemie. Die Bevölkerung sei frustriert von den damals widersprüchlichen Botschaften zu Masken oder der Impfpflicht, sagte er. Fake News in den sozialen Medien verstärkten außerdem das Misstrauen.

Zudem werden Impfungen immer mehr zum politischen Thema. Einige Politiker versuchen, die Impfpflicht auf lokaler Ebene abzuschaffen, noch mehr Ausnahmen zu ermöglichen oder bestimmte Impfstoffe ganz zu verbieten.

In Montana wird keine Impfstatistik mehr geführt, Louisiana stoppte die staatlichen Impfkampagnen – bislang wichtige Eckpfeiler der Gesundheitspolitik. „Dies sind erste Anzeichen dafür, was wir auf Bundesebene mit Robert Kennedy Jr. bald beobachten werden“, warnt Hughes.

Die Menschen in den USA könnten bald mit einer harten Realität konfrontiert sein, fürchtet Offit und erinnert an die Zeit vor Einführung des Masernimpfstoffs 1963. Nach CDC-Angaben wird geschätzt, dass sich damals pro Jahr drei bis vier Millionen Menschen infizierten und mehrere Hundert starben. „Die Menschen wissen nicht mehr, wie krank dieses Virus machen und wie tödlich es sein kann“, sagte der Kinderarzt.

In Deutschland schwankt die Zahl der registrierten Masernfälle laut Robert-Koch-Institut (RKI) von Jahr zu Jahr. Von 2012 bis 2023 lag die Zahl im Pandemiejahr 2021 mit nur acht Fällen auf einem Minimum. Im Jahr 2015 mit den meisten Fällen dieses Zeitraums waren es 2.466. Vergangenes Jahr wurden hierzulande 645 Masernerkrankungen erfasst, in diesem Jahr bislang etwas mehr als 30.

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC registrierte 2024 zehn Todesfälle im Zusammenhang mit Masernerkrankungen, neun davon in Rumänien und einen in Irland. Weltweit gab es 2023 laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzungsweise 107.000 solcher Todesfälle, die meisten bei nicht oder nicht genügend geimpften Kindern unter fünf Jahren.

Vor dem Tod des Schulkindes in den USA war dort zuletzt 2015 ein Mensch an den Folgen von Masern gestorben. Eine Frau im Bundesstaat Washington erlag damals einer durch das Virus verursachten Lungenentzündung. Davor hatte es zwölf Jahre lang keinen Maserntodesfall gegeben.

ggr/dpa/afp

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