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EU-Rechnungshof kritisiert mangelhafte Maßnahmen gegen Arzneimittelengpässe

  • Mittwoch, 17. September 2025
/picture alliance, Stefanie Oberhauser, EXPA
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Berlin – Der Europäische Rechnungshof kritisiert mangelhafte Maßnahmen und Kompetenzen der Europäischen Union (EU) bei der Bekämpfung von Arzneimittelengpässen. Auch die Mitgliedstaaten müssten sich besser untereinander koordinieren.

„Es ist höchste Zeit für die EU, funktionierende Mechanismen zur Bekämpfung von Lieferengpässen zu entwickeln“, erklärte Klaus-Heiner Lehne (CDU), Mitglied des Rechnungshofs und Leiter der Untersuchung, heute in Luxemburg. „Die EU könnte viel mehr helfen, nicht nur bei der Bekämpfung, sondern auch der Verhinderung von Engpässen.“

Ziel der Prüfung war gewesen, zu beurteilen, ob die EU-Maßnahmen zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Arzneimitteln wirksam sind. Insbesondere prüfte der Rechnungshof ob die Kommission und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) einen wirksamen Rahmen geschaffen und umgesetzt haben, um kritische Engpässe zu verhindern und zu mindern.

Auch, ob sie die Ursachen für Engpässe ermittelt und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen sowie Markthindernisse beseitigt haben, um einen funktionierenden Binnenmarkt für Arzneimittel zu gewährleisten, war Teil der Untersuchung.

Rechtliche Rahmenbedingungen unzureichend

Dabei sei der Rechnungshof zu dem Schluss gekommen, dass es noch keinen wirksamen Rahmen für kritische Arzneimittelengpässe gibt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen seien unzureichend und Informationen, die ein Eingreifen ermöglichten, würden nicht rechtzeitig vorliegen.

„Obwohl die EMA den Mitgliedstaaten wertvolle Unterstützung geleistet und die Kommission erste Schritte unternommen hat, indem sie Änderungen der Rechtsvorschriften vorschlug, befinden sich die Bemühungen, die zugrunde liegenden Ursachen dieser Engpässe zu beseitigen, noch in einem frühen Stadium“, heißt es im Bericht.

So unterstütze die EMA die Mitgliedstaaten bisher freiwillig bei der Bekämpfung kritischer Engpässe. Bereits seit 2017 hätten die beiden gesetzgebenden Organe der EU ein stärkeres Mandat der EMA für alle Arzneimittelengpässe gefordert. Erst 2022 sei ihr dann das Mandat erteilt worden, die Mitgliedstaaten während einer Gesundheitskrise bei der Vorbereitung auf und der Bewältigung von Engpässen zu unterstützen.

Allerdings sei sie immer noch nicht rechtlich befugt, die EU-Länder auch jenseits von Gesundheitskrisen zu unterstützen. Erst im Jahr 2023 habe die Kommission dann vorgeschlagen, der EMA ein Mandat in Bezug auf alle kritischen Engpässe in der EU zu erteilen.

Besonders hinderlich sei für die Arbeit der EMA zudem, dass sie nicht ausreichend über Engpässe informiert werde, um diese verhindern zu können. Ihr würden auch die nötigen Daten fehlen, um bestehenden Engpässen laufend entgegenzuwirken. Grund sei vor allem, dass sie von der Pharmaindustrie häufig erst spät und nur unvollständig informiert werde.

„Es bräuchte eine einzige Datenbank und Meldeplattform für alle Arzneimittelengpässe in Europa“, sagte Lehne. Zwar wurde 2024 eine europäische Plattform zur Überwachung von Engpässen eingerichtet, dieser würden jedoch noch viele Funktionen fehlen, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Auch die Verpflichtung der Pharmaindustrie, eine kontinuierliche Versorgung mit Medikamenten zu gewährleisten, habe in der Praxis nicht viel genützt.

Zwar hätten die Vorschläge der EU-Kommission zur Kompetenzerweiterung der EMA Potenzial, den Rahmen für den Umgang mit kritischen Engpässen erheblich zu verbessern. Jedoch würden mit ihnen möglicherweise nicht alle Probleme angegangen.

So würden sie keinen Mechanismus enthalten, der sicherstellt, dass die Verpflichtung für die rechtzeitige Meldung von Engpässen eingehalten wird. Auch rechtsverbindlichen Instrumente für die EMA sowie eine Lenkungsgruppe für Engpässe bei Arzneimitteln seien darin nicht vorgesehen.

Zu wenig Koordination der Mitgliedstaaten

Ein weiteres grundlegendes Problem sei die mangelnde Koordination der Mitgliedstaaten bei der Engpassbekämpfung. So hätten viele EU-Länder begonnen, aufgrund des zunehmenden Mangels Arzneimittel zu horten. Das könne aber wiederum dazu führen, dass sich Engpässe anderswo verschärften, da sich die Länder nicht untereinander abstimmten.

„Wir haben deutlich gesehen, dass es Auswirkungen auf andere Staaten hat, wenn ein Mitgliedstaat Arzneimitteln hortet. Es ist also sehr wichtig, dass das gut koordiniert wird, was leider nicht der Fall ist “, erklärte Matthias Blass von der Prüfungskammer „Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen“, die die Untersuchung vorgenommen hat.

„Ich denke, die Koordinierung der Mitgliedstaaten sollte institutionalisiert werden“, betonte auch Lehne. „Und die EMA ist die prädestinierte Behörde dafür.“ Auch dafür sei aber eine bessere Datengrundlage erforderlich.

Allerdings würden die einzelnen Mitgliedstaaten verschiedene Daten in unterschiedlichen Formaten erheben und sammeln, was die Ableitung von Maßnahmen aus ihnen deutlich erschwere. „Am Ende kann man etwas nur koordinieren, wenn man das notwendige Wissen darüber hat. Und dieses Wissen fehlt uns oft.“

Der freie Handel und die Verfügbarkeit von Medikamenten sei darüber hinaus auch deshalb eingeschränkt, weil der EU-Binnenmarkt für Arzneimittel zersplittert sei. Selbst solche Mittel, die in der gesamten EU zugelassen wurden, seien nicht überall erhältlich. Auch die Arzneimittelpackungen seien von Land zu Land unterschiedlich, was den Austausch und die Umverteilung erschwere.

Die EU-Kommission habe nicht dafür gesorgt, Hemmnisse im EU-weiten Arzneimittelhandel zu beseitigen. Zwar gebe es eine Transparenzrichtlinie, die die Mitgliedstaaten verpflichte, ein gewisses Maß an Transparenz in Bezug auf die Arzneimittelpreise und Kostenerstattungsentscheidungen zu gewährleisten. Allerdings werde diese von den Mitgliedstaaten nicht ordnungsgemäß angewandt.

Es sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, dass es nun erstmals eine EU-weite Liste kritischer Arzneimittel gebe. Doch auch eine solche Liste garantiere noch keine bessere Verfügbarkeit. Die Prüfer hätten gar festgestellt, dass bei einigen der aufgelisteten Medikamente ein bedrohlicher Mangel herrschte.

Die Rechnungsprüfer fordern die EU-Kommission deshalb auf, auf Grundlage ihrer Bestandsaufnahme Maßnahmen zu ergreifen, um eine bessere Anwendung der Transparenzrichtlinie durch die Mitgliedstaaten sicherzustellen. Demnach sollten Informationen über den Status und die Verfahren im Hinblick auf Preisfestsetzung und Kostenerstattung zentralisiert werden.

Zudem solle die Kommission Maßnahmen ergreifen, um die Einheitlichkeit von Arzneimittelverpackungen innerhalb der EU zu verbessern, zum Beispiel in Bezug auf Bezeichnungen, Packungsgrößen und Kennzeichnungsanforderungen.

lau

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