Europäische Gesundheitsbehörde rechnet mit weiteren nach Europa importierten Mpox-Fällen

Stockholm – Angesichts des Mpox-Ausbruchs in mehreren afrikanischen Ländern erwartet die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC, dass mehr Menschen mit dem Virus nach Europa kommen. Dies sei angesichts der häufigen Reiseverbindungen sehr wahrscheinlich, teilte die Behörde mit Sitz in Schweden heute mit, nachdem gestern in dem Land der erste Mpox-Fall der Klade I außerhalb des afrikanischen Kontinents bestätigt worden war. Bei dem Infizierten handelt es sich um einen Reiserückkehrer aus dem von dem Mpox-Ausbruch betroffenen Teil Afrikas.
Die Wahrscheinlichkeit einer anhaltenden Übertragung in Europa sei allerdings sehr gering, sofern importierte Fälle schnell diagnostiziert und Kontrollmaßnahmen umgesetzt würden, teilte die ECDC mit. Die neue Variante der Klade I könnte ansteckender sein als bisherige und schwerere Krankheitsverläufe auslösen, Fachleute sehen dabei aber noch offene Fragen. Allerdings ist Mpox (früher Affenpocken genannt) generell nicht so leicht zu übertragen. Dafür ist direkter Kontakt nötig.
Die Gesundheitsbehörde empfiehlt den europäischen Staaten, Reisehinweise für Personen herauszugeben, die in die vom Ausbruch betroffene Gebiete reisen oder von dort zurückkehren. Für Menschen, die enge Kontakte zu Personen pflegen, die möglicherweise oder sicher eine Mpox-Infektion aus Afrika importiert haben, sei die Ansteckungsgefahr mäßig. Die Gefährdungsstufe für die Gesamtbevölkerung wurde von „sehr niedrig“ Ende Juli auf „niedrig“ angehoben.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte diese Woche vor allem wegen der schnellen Verbreitung des Virus in mehreren afrikanischen Ländern eine Gesundheitsnotlage internationaler Tragweite ausgerufen, ihre höchste Alarmstufe. Ziel ist insbesondere eine koordinierte internationale Reaktion, um die Virusverbreitung zu stoppen.
Besonders stark ausgebreitet hat sich Mpox bisher in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) mit laut ECDC bereits mehr als 16.000 Fällen und mehr als 500 Toten in diesem Jahr. Viele Kinder sind betroffen.
Mittlerweile sind alle Provinzen des zentralafrikanischen Landes von dem Ausbruch betroffen, und das Infektionsgeschehen hat sich über Ländergrenzen hinweg ausgeweitet. Auch benachbarte Länder, in denen Mpox bisher nicht nachgewiesen war, verzeichnen Erkrankte. Vor dieser Entwicklung hatten Experten gewarnt, das Deutsche Ärzteblatt berichtete.
Infektionen der Klade I wurden zuvor nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) vor allem in Zentralafrika beobachtet, insbesondere in der DRK. Im Vergleich zu Klade II, auf die der Mpox-Ausbruch 2022 zurückgeht, gelten die Krankheitsverläufe bei Klade I als generell gefährlicher.
Mpox wurden 1970 in der DRK erstmals beim Menschen beschrieben.
China verstärkt Einreisekontrollen
China verstärkt wegen der zunehmenden Mpox-Ausbreitung in einigen Ländern in den kommenden sechs Monaten seine Kontrollen bei Einreisen am Flughafen. Wer aus einem Land einreise, in dem die Krankheit kürzlich ausgebrochen sei, Kontakt zu Infizierten gehabt habe oder Symptome wie Hautausschlag aufweise, müsse „die Initiative ergreifen und sich bei seiner Einreise beim Zoll anmelden“, teilte die chinesische Zollbehörde heute mit.
Die Zollbeamten nähmen dann „medizinische Maßnahmen“ vor und führten gemäß den Verfahren Proben und Tests aus, hieß es in der Erklärung weiter. Zudem sollen demnach Fahrzeuge, Container und Gegenstände aus Gegenden mit Mpox-Ausbrüchen desinfiziert werden.
„Reisebeschränkungen und Grenzschließungen funktionieren nicht und sollten vermieden werden“, betonte die WHO. Pakistan meldete heute ebenfalls einen ersten Mpox-Fall in diesem Jahr, bei dem aber bislang nicht bekannt ist, ob es sich um Klade I handelt.
Besorgnis wegen Klade Ib
Im Osten der DRK war voriges Jahr auch eine als Ib bezeichnete Klade entdeckt worden, Fachleute haben sie besonders im Blick. Dokumentiert sei vor allem Sex als Übertragungsweg, schreibt das RKI auf seiner Webseite. Die WHO sieht bei dem Erreger Hinweise auf eine weitere Anpassung an den Menschen. Anhaltende Mensch-zu-Mensch-Übertragungen gebe es wohl seit Mitte September 2023.
Anders als bei der bisherigen Klade I ist aber auch, dass Infektionsketten offenbar nicht mehr so schnell von selbst abbrechen. Fachleute vor Ort berichteten von beobachteten Transmissionen in Schulen, am Arbeitsplatz und zwischen Personen eines Haushalts.
Bei den Fallzahlen aus der Ausbruchsregion ist zu beachten: Es werden viele nicht erfasste Erkrankungen angenommen. Hinzu kommt, dass in den meisten Fällen keine Virustypisierung/Sequenzierung durchgeführt wird, so dass unklar ist, wie weit die Klade Ib im Vergleich zur Klade I verbreitet ist, wie Marion Koopmans, Leiterin des Instituts für Virusforschung und Direktorin des Pandemie- und Katastrophenzentrums der Erasmus-Universität Rotterdam, kürzlich dem Science Media Center sagte.
Als typische Symptome einer Infektion mit Klade I gelten etwa Hautausschläge am ganzen Körper, bei Klade II geht es vor allem um Teile des Körpers. Bei Mpox können ansonsten Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Fatigue oder Gelenkschmerzen hinzukommen. „Eine Ansteckungsmöglichkeit besteht, solange Symptome bestehen, in der Regel bis zum Abfallen der Krusten (meist zwei bis vier Wochen)“, schreibt das RKI.
Appell zur Bekämpfung der Ausbrüche in afrikanischen Ländern
Aus Expertensicht sollte es jetzt Priorität haben, die betroffenen Ländern beim Bekämpfen des Ausbruchs zu unterstützen. „Das Virus kann mit Zugang zu Diagnostik, Impfstoffen & Therapeutika eingedämmt werden: Dies muss nun schnell für betroffene Länder verfügbar sein“, schrieb etwa die Virologin Isabella Eckerle von der Universität Genf auf X (früher Twitter).
Während Mpox-Impfungen im Kampf gegen die Infektionswelle von 2022 in westlichen Ländern vielfach eingesetzt wurden, sind sie in Afrika bis heute kaum verfügbar. Der Impfstoffhersteller Bavarian Nordic verfügt derzeit nach eigenen Angaben über einen Vorrat von 500.000 Impfdosen und ist bereit, bis 2025 zehn Millionen Dosen zu produzieren.
Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben von heute zudem bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) beantragt, das Vakzin neben Erwachsenen auch zur Anwendung bei Zwölf- bis 17-Jährigen zuzulassen.
Eine Spende von rund 215.000 Impfstoffdosen an das Africa CDC hat die European Commission's Health Emergency Preparedness and Response Authority (HERA) in Kooperation mit Bavarian Nordic bereits angekündigt.
Die Impfallianz Gavi teilte zudem mit, in Verhandlungen mit Herstellern über die mögliche direkte Beschaffung von Mpox-Impfstoffen zu sein.
Zunächst keine anderen Maßnahmen in Deutschland nötig
Das RKI schreibt auf seiner Webseite, es gehe aktuell nicht von einer erhöhten Gefährdung durch Klade-I-Viren in Deutschland aus, es beobachte die Situation aber weiter sehr genau und passe seine Empfehlungen bei Bedarf an.
„Für die medizinische Versorgung und den Öffentlichen Gesundheitsdienst in Deutschland ergeben sich zunächst keine anderen Maßnahmen“, so das RKI weiter. Klade I und II würden bislang gleich diagnostiziert, behandelt und auch die Indikation zur Impfung und weitere Maßnahmen zum Infektionsschutz unterschieden sich nicht. Auch von einer Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe gegen Klade I werde ausgegangen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der Charité-Infektiologe Leif Erik Sander äußerten beide, dass sie derzeit keinen Grund zur Beunruhigung sähen. Sander sagte: „Wir brauchen momentan ganz sicher keine flächendeckende Impfung für eine Erkrankung, die jetzt primär Menschen in unterprivilegierten Gegenden von Afrika betrifft.“
Seiner Einschätzung nach kann man noch nicht sagen, ob die neue Variante gefährlicher oder tödlicher ist als die ursprüngliche Klade I. Nach Angaben des Charité-Experten ist es aber durchaus wahrscheinlich, dass die Variante Ib früher oder später auch die Bundesrepublik erreicht. Für den Fall der Fälle sei Deutschland aber gut vorbereitet. „Wir haben ausreichend Impfstoffe zur Verfügung“, sagte der Arzt.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums haben einige Bundesländer noch Impfstoffe von 2022 vorrätig. Auch der Bund hat demnach noch rund 117.000 Impfstoffdosen. Eine weitere zentrale Beschaffung sei derzeit nicht vorgesehen.
Im Mai 2022 hatte sich die Klade IIb außerhalb Afrikas ausgebreitet, vor allem in Europa. Betroffen waren hauptsächlich Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Die WHO rief auch damals eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite aus, die im Mai 2023 wieder endete.
Es gab seitdem aber auch in Europa immer noch Fälle von Klade II. Berlin etwa verzeichnet seit Jahresbeginn 33 nachgewiesene Mpox-Erkrankungen und damit die meisten bundesweit. Die Verläufe sind laut RKI aber nicht schwer, in Deutschland wurden auch keine Todesfälle verzeichnet.
„In Deutschland hat sich die Klade II fast ausschließlich in der MSM-Community verbreitet. Das könnte natürlich auch wieder passieren“, meinte Sander. Allerdings gebe es gerade in dieser Community ein hohes Bewusstsein für die Erkrankung und mittlerweile einen guten Immunschutz.
Eine Impfung gegen Mpox wird in Deutschland nur bestimmten Personengruppen empfohlen. Dazu zählen unter anderem MSM, die häufig den Partner wechseln. Für eine Grundimmunisierung werden zwei Dosen empfohlen. Menschen, die bislang nur eine Impfung erhalten haben, empfiehlt Sander, sich um eine zweite Dosis zu kümmern – auch wegen der weiter zirkulierenden Klade II.
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