Gaza-Krankenhaus beschossen, Zeitung wirft Armee Fehlinformation vor

Gaza-Stadt/Jerusalem – Das „Europäische Krankenhaus“ im Gazastreifen ist nach einem israelischen Luftangriff von vorgestern außer Betrieb. Dies bedeute, dass nur an diesem Krankenhaus mögliche Behandlungen wie Neuro-, Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie sowie Krebstherapie eingestellt werden, teilte das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen heute mit.
Die israelische Armee hatte erklärt, der Angriff auf das Krankenhaus habe Hamasführer Mohammed Sinwar gegolten. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums im Gazastreifen, die sich nicht unabhängig prüfen lassen, sind bei dem Angriff 16 Palästinenser getötet und etwa 70 verletzt worden. Unklar ist laut Berichten, ob Sinwar oder andere hochrangige Hamas-Mitglieder unter den Toten sind.
Die israelische Armee veröffentlichte Bilder, die nach Armeeangaben ein Tunnelsystem der Hamas unter dem Krankenhaus zeigen. Recherchen der israelischen Zeitung Haaretz von heute zufolge zeigte das von der Armee verbreitete Bildmaterial jedoch Luftaufnahmen einer nahe gelegenen Schule. Videos von den Angriffen wiederum zeigten massive Schäden am Krankenhaus, nicht jedoch an der Schule.
Haaretz analysierte nach eigenen Angaben Karten, Luftaufnahmen sowie Filmmaterial. Laut Zeitung erklärte die Armee, dass die Schule aufgrund ihrer Nähe als Teil des Krankenhauskomplexes betrachtet werde und der Tunnel unter beiden verlaufe.
Belege legte sie demnach nicht vor. Unabhängig prüfen lassen sich die Angaben der israelischen Armee nicht. Seit Beginn des Gazakriegs im Oktober 2023 verwehrt Israel Journalisten den unabhängigen Zugang zum Kriegsgebiet. Mehrere internationale Medien hatten der israelischen Armee seit Kriegsbeginn vorgeworfen, keine ausreichenden Beweise für eine signifikante Präsenz der Hamas in angegriffenen Krankenhäusern vorzulegen.
Unterdessen hat Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni die humanitäre Situation im Gazastreifen als „immer dramatischer und durch nichts zu rechtfertigen“ bezeichnet. Es bestehe „die Notwendigkeit, das humanitäre Völkerrecht zu achten“, erklärte Meloni vor dem italienischen Parlament.
Die ultrarechte Regierung in Rom unterstützt die israelische Regierung in ihrem Kampf gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen; bisher hatte sie die humanitäre Lage im Gazastreifen nicht kritisiert.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) machte Israel für die Schaffung einer „absichtlichen humanitären Katastrophe“ verantwortlich. „Wir beobachten in Echtzeit die Schaffung von Bedingungen für eine Vernichtung palästinensischen Lebens in Gaza“, erklärte die Organisation.
Bundeskanzler Friedrich Merz forderte die israelische Regierung auf, „alles zu tun, damit die humanitären Verpflichtungen erfüllt werden, zu denen sich auch Israel im Rahmen der internationalen politischen Ordnung verpflichtet“ habe.
Zugleich verwies er auf die noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln, unter denen auch Deutschstämmige seien. „Bei dem, was die israelische Armee jetzt tut“, müsse Rücksicht genommen werden, forderte der Kanzler mit Blick auf die Geiseln.
Seine Regierung stehe dazu im Dialog mit Israel, sagte Merz weiter und verwies auf den Besuch seines Außenministers Johann Wadephul (CDU) in Israel am vergangenen Wochenende. Ein Israel-Besuch von ihm selbst stehe „im Augenblick nicht an“, fügte Merz hinzu.
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