Indien: Kampf ums Stillen

Neu Delhi/Manila – Das UN-Kinderhilfswerk Unicef und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben anlässlich der Weltstillwoche dazu aufgerufen, Mütter „dringend“ mehr zu unterstützen. Ihr Appell richtet sich an Familienmitglieder, Angestellte im Gesundheitssektor, Arbeitgeber und Regierungen weltweit.
Gerade in konservativen Ländern – wie Indien – haben es die Frauen besonders schwer. Stillen in der Öffentlichkeit ist dort zum Beispiel nicht möglich. „Wir können nicht öffentlich stillen, weil die Brust ausschließlich als sexuelles Körperteil wahrgenommen wird“, sagte Neha Rastogi. Sie will derzeit vor Gericht erreichen, dass die Regierung in allen öffentlichen Orten Raum zum Stillen schafft. Bislang läuft das Gerichtsverfahren gut für sie: Das Oberste Gericht in Neu Delhi hat die Behörden aufgefordert, bis zur nächsten Anhörung Ende August eine mögliche Lösung zu präsentieren.
Große Ablehnung
Fraglich ist aber, ob ein Erfolg vor Gericht zur Akzeptanz stillender Frauen in der Gesellschaft beitragen würde. Die Schauspielerin Gilu Joseph musste erfahren, wie ablehnend manche Inder reagieren können. Sie war barbusig mit einem Baby auf dem Titelbild eines Magazins zu sehen. „Nicht starren – wir müssen stillen“, war darauf zu lesen.
Die 28-Jährige landete daraufhin zusammen mit dem Verleger vor Gericht. Es gingen Anzeigen wegen Nacktheit und der Gefährdung der gesellschaftlichen Moral ein. Das Gericht wies die Anschuldigungen zwar zurück, über Joseph ergoss sich aber eine Flut an Beleidigungen. Die Schauspielerin kämpft dennoch weiter: „Mir ist es egal, was andere über mich sagen“, sagt sie. „Unsere Gesellschaft ist so sexualisiert, dass Männer alles mit Sex verbinden“, kritisierte Joseph.
Die Benachteiligung von stillenden Frauen ist nicht nur lästig, sondern kann auch gefährlich werden: Viele Inderinnen können sich keinen Milchersatz leisten und weil sie nicht draußen stillen sollen, sind viele Mütter ans Haus gefesselt. Auch der Wiedereinstieg ins Berufsleben ist für sie deutlich schwieriger.
Laut WHO und UNHCR sollten Säuglinge innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt erstmals gestillt werden und in den ersten sechs Monaten ausschließlich Muttermilch bekommen. Andernfalls steige das Sterbe- und Erkrankungsrisiko. Weltweit werden den beiden Organisationen zufolge aber nur drei von fünf Babys in der Anfangszeit ihres Lebens gestillt. Noch bis Sonntag soll die Weltstillwoche darauf aufmerksam machen, dass stillende Mütter weltweit mit Ablehnung zu kämpfen haben.
In zahlreichen Ländern gibt es Aktionen zur Weltstillwoche. Hunderte Mütter haben beispielsweise auf den Philippinen öffentlich ihre Babys gestillt. In einem Stadion in der Hauptstadt Manila gaben rund 1.500 Frauen ihren Kindern bei einer von der Regierung unterstützten Großveranstaltung die Brust.
Die „Still-Party“ sollte für die Umstellung auf Muttermilch werben. Dies wird auch von WHO und dem UN-Kinderhilfswerk UNHCR empfohlen. Die Veranstaltung findet jährlich statt. Die philippinische Regierung will Mütter dazu bewegen, ihren Kindern Muttermilch statt gekaufter Fertigbabynahrung zu geben.
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