Nach Trump-Wahl: Wie Amerika angeblich wieder gesund werden soll

Washington – Der designierte US-Präsident Donald Trump will den erklärten Impfgegner Robert F. Kennedy Jr. (RFK Jr.) zum Gesundheitsminister in seiner künftigen Regierung machen. Das erklärte Trump gestern und fügte hinzu, dass die Amerikaner viel zu lange unter der Lebensmittelindustrie und Pharmafirmen gelitten hätten, die in Bezug auf öffentliche Gesundheit angeblich Täuschung, Fehl- und Desinformation betrieben hätten.
Demokraten reagierten schockiert, Gesundheitsexperten alarmiert über die Personalie. Der 70-jährige langjährige Umweltanwalt stammt aus der prominenten Kennedy-Familie und ist der Neffe von Ex-Präsident John F. Kennedy. Er ist auch wegen der Verbreitung von Verschwörungstheorien und Kontakten zu rechtsextremen Politikern umstritten, für die hohe Position im Ministerium wurde er vielfach als ungeeignet gewertet.
Ministerposten müssen üblicherweise vom Senat bestätigt werden. Trump macht allerdings unverhohlen Druck auf seine Parteikollegen in der Kammer, das aufwendige Bestätigungsverfahren dort durch eine Ausnahmeregelung zu umgehen.
Was Trump gesundheitspolitisch versprochen hat
Trump blieb im Wahlkampf eher vage, wenn es um Gesundheitspolitik ging. Unter den zentralen Wahlversprechen auf seiner Webseite lautet der 14. von 20 Punkten, es werde keine Kürzungen bei Medicare geben, der Krankenversicherung für Menschen ab 65 Jahren und mit bestimmten Behinderungen.
Der Republikaner kündigte weiter an, die Prävention chronischer Erkrankungen fördern, die Epidemie der Opioidabhängigkeit sowie den „Gender-Wahnsinn“, etwa in Bezug auf operative Geschlechtsumwandlungen, angehen zu wollen.
Insgesamt spielte das Thema Gesundheit im Wahlkampf – mit Ausnahme der Diskussion um Schwangerschaftsabbrüche – eine untergeordnete Rolle, wie in einer Analyse im British Medical Journal festgehalten wurde (BMJ; DOI: 10.1136/bmj.q2456) .„Die Wahlkampfrhetorik beider Seiten hat keine Anzeichen für eine Überarbeitung des US-Gesundheitssystems ergeben, das zwar das teuerste der Welt ist, aber bei weitem nicht das effektivste“, heißt es im BMJ.
Fachleute fürchten dennoch, dass die Trump-Regierung weitreichende Folgen nicht nur für den Gesundheitsbereich, sondern auch für Wissenschaft und Forschung sowie das Klima haben wird.
RFK Jr. versprach den Amerikanern Heilung
Zur Kampfansage Trumps bezüglich chronischer Erkrankungen passen die gesundheitspolitischen Vorstellungen von RFK Jr. Dieser warb mit dem Versprechen, Amerika wieder gesund zu machen: „Make America Healthy Again“, in Anlehnung an Trumps „Make America Great Again“ (MAGA).
Kurz gesagt vertritt er die These einer zunehmenden Vergiftung der Amerikanerinnen und Amerikaner in den vergangenen Jahrzehnten. Trump hatte kürzlich bereits angekündigt, er werde dafür sorgen, dass sich RFK Jr. in den Feldern Gesundheit, Ernährung und Medikamente austoben könne.
Schon seit Wochen äußern Fachleute daran Kritik, vor allem weil der langjährige Umweltanwalt nicht erst seit der Coronapandemie Falschinformationen verbreitet. Bereits 2005 wurde ein Artikel von ihm über Autismus und Impfstoffe wegen mehrerer Fehler zurückgezogen.
Mehrere enge Familienmitglieder hielten 2019 öffentlich fest, dass man ihn in seinen Umweltschutzbemühungen unterstütze, er in Bezug auf Impfungen aber falsch liege. Dies sei eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit.
Seine Haltung zu Impfstoffen soll laut einem US-Medienbericht auch daher rühren, dass er seit den 1990er-Jahren an einer Dysphonie leidet, die er mit einer Grippeschutzimpfung in Verbindung bringt. Seine Stimme stockt und zittert beim Sprechen.
RFK Jr. war ursprünglich Demokrat. In der aktuellen Präsidentschaftswahl trat er jedoch zunächst als unabhängiger Kandidat an und irritierte dabei mit mehreren Äußerungen, etwa dass er einmal einen toten Bären im Central Park in Manhattan abgelegt habe. Er zog seine aussichtslose Kandidatur letztlich zurück und schloss sich Trump an.
Was RFK Jr. ändern will
In öffentlichen Auftritten vor der Wahl sagte RFK Jr. beispielsweise der TV-Werbung für Arzneimittel und angeblicher Korruption in Behörden den Kampf an. Auf der Plattform X (früher: Twitter) schrieb er kürzlich, dass die „Kriegsführung“ der Food and Drug Administration (FDA) gegen die öffentliche Gesundheit enden werde.
Er warf der Behörde vor, beispielsweise Psychedelika, Stammzellen, Rohmilch, Vitamine, „saubere“ Lebensmittel und Sonnenschein aggressiv zu unterdrücken – alle Dinge, die der Gesundheit nützten und die nicht „von Pharma“ patentiert werden könnten. Sein Beitrag endet so: „Wenn Sie für die FDA arbeiten und Teil dieses korrupten Systems sind, habe ich zwei Nachrichten für Sie: 1. Bewahren Sie Ihre Unterlagen auf, und 2. Packen Sie Ihre Koffer.“
Seine Kritik richtet sich daneben gegen die industrielle Landwirtschaft in den USA mit Pestizid- und Düngereinsatz, gegen Zusatzstoffe in Nahrungsmitteln sowie die Fluoridierung des Trinkwassers, womit in den USA die Zahngesundheit gefördert werden soll. RFK Jr. hielt sich mit Aussagen zum Impfen im Wahlkampf zurück, kündigte aber an, Impfsicherheitsdaten auf den Prüfstand stellen zu wollen.
Die US-Medizinprofessorin Kavita Patel (Stanford) wertete dies als potenzielle Katastrophe: Es sei so, als würde man jemanden, der glaubt, dass die Erde flach sei, mit der nächsten Mission ins Weltall beauftragen. Jahrzehntelange wissenschaftliche Arbeit und lebensrettende Public-Health-Initiativen drohten unterminiert zu werden.
Auch bei einigen Pharma- und Biotechunternehmen stoßen Ideen von RFK Jr. nicht auf Gegenliebe – gleichzeitig gibt es Chefs, die sich von den Republikanern aber doch Entscheidungen erwarten, die gut für das Geschäft sind, wie das Portal Stat berichtet. Viele wollten sich demnach mit Bewertungen zurückhalten, bis die Regierung im Amt ist und man den Kurs besser abschätzen kann.
Trotz aller Sorgen vor allem hinsichtlich der Haltung zu Impfungen hofft auch der britische Pädiater David Elliman auf einen am Ende doch gemäßigteren, verantwortungsvolleren Kurs. Wenn RFK Jr. seine Energien auf den Komplex industrieller Nahrung richten und mehr Transparenz von Pharmafirmen verlangen sollte, wäre das ihm zufolge zu begrüßen.
Hoffnung auf Widerstand von Wissenschaftlern in Behörden
Großen Ankündigungen zum Trotz: Aus Expertensicht ist der Einflussbereichs Trumps nicht grenzenlos. „Der Präsident ist nicht befugt, eine Impfung oder die Fluoridierung des Wassers zu verbieten“, sagte Lawrence Gostin von der Georgetown University vor Bekanntgabe der Personalie in einem Interview der Nachrichtenredaktion von Science. Public Health sei in den USA im Wesentlichen Aufgabe der Bundesstaaten.
Gostin glaubt demnach auch immer noch an eine wichtige Funktion des Supreme Court: Wenn sich beispielsweise die FDA aus rein politischen Erwägungen entschlösse, die Zulassung für Mifepriston zu widerrufen, dann erwarte er, dass selbst ein sehr konservativer Supreme Court dies ablehnen würde.
Zudem rechnet er, sollte die öffentliche Gesundheit bedroht sein, mit Widerstand gegen politische Einflussnahme von Wissenschaftlern in Organisationen wie den Centers for Disease Control and Prevention (CDC), der FDA und den National Institutes of Health (NIH). Es sei aber durchaus zu erwarten, dass Trump loyale Personen dort in hohen Positionen bringen werde.
Gostin hält es zudem für quasi sicher, dass RFK Jr. oder der Präsident selbst dafür sorgen werden, dass sich im Impfgremium Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) in Zukunft Impfskeptiker wiederfinden werden. „Und das wird die Qualität, Genauigkeit und Verlässlichkeit von Empfehlungen von CDC oder ACIP beeinflussen.“
US-Behörden, die mit ihren Empfehlungen bisher nationale und internationale Standards setzten, könnten künftig noch mehr Vertrauen verlieren, befürchtet Gostin. Das habe schon während Trumps erster Amtszeit begonnen, werde sich aber noch weiter verschlechtern. Als sich nun bestätigte, dass Trump tatsächlich RFK Jr. in die hohe Position beordern will, sprach Gostin auf X von einem Desaster für die öffentliche Gesundheit.
Konsequenzen für die WHO und globale Pandemievorsorge befürchtet
Möglicherweise könnte Trump, wenn er im Januar 2025 Joe Biden im Weißen Haus ablöst, auch die Pläne aus seiner ersten Amtszeit vollenden und aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) austreten, berichtet Science (10.1126/science.zg685cc). Dieses Vorhaben hatte Biden 2021 rückgängig gemacht.
Trump hatte der WHO wegen der Coronapandemie etliche Versäumnisse vorgeworfen, was damals aber auch als Versuch gewertet wurde, von eigenen Fehlern abzulenken.
Die USA sind einer der wichtigsten Geldgeber der WHO. Würden die USA sich zurückziehen, könnten auch die ohnehin schwierigen Verhandlungen über einen internationalen Pandemievertrag zum Scheitern verurteilt sein, wird in dem Bericht befürchtet. Gleichzeitig erscheine es möglich, dass allen voran Europa, aber auch Länder mit mittleren Einkommen wie Brasilien, Indien und China künftig eine stärkere Rolle einnehmen.
Für Fachleute stellt sich auch die Frage, wie Trump mit der seit Monaten anhaltenden Ausbreitung der hochpathogenen aviären Influenza (H5N1), unter anderem bei Milchkühen, in den USA umgehen wird. Schon die Reaktion der bisherigen US-Regierung werteten Expertinnen und Experten als halbherzig, die Fallzahlen bei Menschen stiegen zuletzt deutlich an.
Das Portal „The Atlantic“ machte die Vogelgrippe bereits Anfang Oktober als mögliche Krise des Biden-Nachfolgers aus und hielt fest, dass weder Trump noch seine Konkurrentin Kamala Harris von den Demokraten einen Plan zur Eindämmung vorgelegt, geschweige denn viel öffentlich über das Thema gesprochen hätten. Beide Seiten antworteten demnach auch nicht auf Anfragen.
Hohe Preise für Medikamente in den USA
Die Amerikaner haben mit hohen Preisen für Arzneimittel zu kämpfen. Beispiele wie die Kosten für Insulin wurden im Wahlkampf auch angesprochen. Auf Trumps Webseite heißt es aber recht allgemein, dass es ihm um eine erschwingliche Gesundheitsversorgung gehe.
Befürchtet wird laut dem US-Portal Stat allerdings, dass der Republikaner beim staatlichen Krankenversicherungsprogramm für Menschen mit niedrigen Einkommen (Medicaid) den Rotstift ansetzen könnte. Es war mit dem Affordable Care Act, auch bekannt als Obamacare, ausgeweitet worden. 2023 waren rund 19 % der Amerikaner über Medicaid krankenversichert.
In seiner ersten Amtszeit hatte Trump versucht, Obamacare aufzuheben. Dies will er offenbar aber nicht erneut versuchen, Veränderungen scheinen laut US-Medien aber möglich.
Folgen auch für Deutschland erwartet
Welche Folgen die Wahl Trumps auch für die Gesundheitspolitik in Deutschland haben könnte, hatte der Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, kürzlich in Berlin umrissen: von der Möglichkeit eines Handelskrieges zwischen den USA und Europa mit Auswirkungen auf die Beiträge etwa für die Krankenversicherungen bis hin zur Klimapolitik, die auch Gesundheitspolitik sei. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete.
Trump will die Förderung klimaschädlicher Energieträger wie Öl und Gas in großem Stil wieder ankurbeln. Auch wird erwartet, dass er wie schon in seiner ersten Amtszeit aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigt.
Ein Rätsel bleibt dagegen der Gesundheitszustand von Trump selbst, der inzwischen 78 Jahre alt ist. Während seine Konkurrentin Harris medizinische Befunde offenlegte, blieb dies bei Trump bisher aus.
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