Sterbehilfe: Unheilbar kranker Ungar verliert vor dem Menschenrechtsgerichtshof

Straßburg – Ein an der unheilbaren Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) leidender Mann aus Ungarn darf laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) keine Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Das Gericht mit Sitz in Straßburg entschied heute, dass das ungarische Recht in diesem Punkt nicht gegen die Menschenrechtskonvention verstößt. Darin sind sowohl die aktive Sterbehilfe als auch die Reise in ein Land, in dem der assistierte Suizid legal ist, verboten.
Die Richter betonten jedoch, dass die Menschenrechtskonvention „im Lichte unserer Zeit“ ausgelegt und angewandt werden müsse. Auch die Frage der Sterbehilfe müsse unter Berücksichtigung der Entwicklungen in den europäischen Gesellschaften und der internationalen Normen im Bereich der medizinischen Ethik geprüft werden. Weiter hieß es, dass „eine qualitativ hochwertige Palliativversorgung, einschließlich des Zugangs zu einer wirksamen Schmerzbehandlung, für die Gewährleistung eines würdigen Lebensendes von entscheidender Bedeutung“ sei.
Der 46-jährige Antragsteller leidet seit Juli 2021 an ALS. Die Krankheit, an der auch der berühmte Astrophysiker Stephen Hawking litt, führt zu einer fortschreitenden Lähmung und schließlich zum Tod. Der ungarische Rechtsanwalt hatte seinen Fall bei der Anhörung im November 2023 trotz seiner durch die Krankheit beeinträchtigten Sprache vorgetragen.
Er sei nicht in der Lage ohne Hilfe zu gehen, zu essen oder für sich selbst zu sorgen und rechne damit, vollständig gelähmt zu werden, sagte er und betonte: „Ich werde in meinem eigenen Körper eingesperrt sein, während ich bei vollem Bewusstsein bin.“ Daher wolle er diese Phase seiner Krankheit durch eine Form der medizinischen Sterbehilfe beenden oder so weit es geht verkürzen. Die Richter am EGMR hatten seinen Fall aufgrund der Dringlichkeit vorrangig behandelt.
In Deutschland schrieb das Bundesverfassungsgericht 2020 in einem aufsehenerregenden Urteil das Recht auf selbstbestimmtes Sterben fest. Der assistierte Suizid ist damit legal, ein Gesetz mit verbindlichen Vorgaben zum Schutz der Sterbewilligen und der Assistierenden gibt es aber nicht. Zwei Gesetzentwürfe dazu erhielten im Juli 2023 nicht die erforderliche Mehrheit.
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