Trump kritisiert „sozialistisches Gesundheitssystem in Deutschland“

Berlin – US-Präsident Donald Trump wirft dem deutschen Gesundheitssystem vor, eine Mitschuld an den hohen Arzneimittelpreisen in den USA zu haben. Gestern unterzeichnete er in Washington D.C. ein Dekret, das die Preise für rezeptpflichtige Arzneimittel in den USA deutlich senken soll. Die Pharmaindustrie warnt bereits vor den möglichen Folgen.
Trumps wirft Pharmakonzernen vor, „ihre Produkte stark zu rabattieren, um Zugang zu ausländischen Märkten zu erhalten“, etwa in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Die entgangenen Erlöse holten sie dann durch „extrem hohe Preise“ in den USA wieder herein. Die Menschen in den USA hätten deshalb jahrelang viel zu viel gezahlt.
Er warf der Pharmabranche zu großen politischen Einfluss vor. Die Lobby sei „wahrscheinlich die mächtigste der Welt“, sagte er und behauptete, die gegnerischen Demokraten hätten die Industrie über Jahre geschützt. Gleichzeitig betonte er, er mache „den Pharmakonzernen nicht die größten Vorwürfe“. Die Unternehmen seien oft gezwungen, sich unter Druck zu beugen. Besonders scharf griff er stattdessen europäische Staaten an.
Bisher würden US-Verbraucher wie „Trottel“ ausgenommen. „Wir subventionieren die Gesundheitsversorgung anderer“, sagte er. So habe auch „das sozialistische Gesundheitssystem in Deutschland“ zur schwierigen Lage in den USA beigetragen. Europa müsse deshalb künftig tiefer in die Tasche greifen: „Der Rest der Welt wird mehr zahlen müssen“, sagte er. „Und Amerika wird viel weniger zahlen.“
Abhilfe soll sein gestern unterzeichnetes Dekret schaffen. Damit will Trump die Kosten für in den USA verkaufte Medikamente an den niedrigsten Preis binden, der in anderen Ländern für dasselbe Medikament gezahlt wird. Damit seien Kostensenkungen um 59 Prozent möglich, versprach er. In bestimmten Fällen seien es sogar 80 bis 90 Prozent.
Zugleich will er die Pharmakonzerne dadurch zwingen, in der Europäischen Union (EU) mehr für ihre Arzneimittel zu verlangen. Die EU-Länder seien bei den Arzneimittelpreisen „unverschämt“, sagte Trump, sogar „unverschämter als China“. Laut dem Dekret ist vorgesehen, dass die Pharmakonzerne nun binnen 30 Tagen ihre Arzneimittelpreise in den USA auf das Niveau in anderen Ländern senken. Geschieht dies nicht, behält sich die Regierung Zwangsmaßnahmen vor.
Dafür sollen mehrere US-Behörden aktiv werden. So soll das Handelsministerium gegen Preispolitiken im Ausland vorgehen, die aus amerikanischer Sicht als unfair gelten – etwa staatlich festgelegte Höchstpreise, die US-Unternehmen benachteiligen.
Das Gesundheitsministerium soll – wo möglich – Direktverkäufe von Medikamenten an US-Verbraucher zu niedrigeren Preisen ermöglichen. Die US-Arzneimittelbehörde FDA soll außerdem prüfen, ob künftig Importe aus zusätzlichen Industrieländern erlaubt werden können. Auch Exportbeschränkungen stehen laut Weißem Haus zur Diskussion.
Im Mittelpunkt sollen vor allem Arzneimittel stehen, bei denen die Preisunterschiede zwischen dem US-Markt und dem Ausland besonders groß sind. Konkrete Medikamente oder Produktgruppen wurden zunächst nicht genannt. Eine Einschränkung auf bestimmte Medikamentengruppen ist laut Regierungsangaben aber nicht vorgesehen.
Trump beruft sich in seinem Dekret auf das Prinzip der „Most Favored Nation“, das er schon während seiner ersten Amtszeit einführen wollte: Die USA sollen für bestimmte Medikamente künftig nicht mehr zahlen als das Land, das den weltweit niedrigsten Preis verlangt – unabhängig von Marktgröße oder Wirtschaftskraft. „Dieses Spiel ist vorbei“, sagte Trump mit Blick auf Länder, die seiner Ansicht nach bislang auf Kosten der USA von günstigen Konditionen profitiert hätten.
Pharmaindustrie schlägt Alarm
Ob die Rechnung aufgeht, ist unklar: Trump hatte bereits in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 versucht, die Medikamentenpreise in den USA zu senken. Seine Pläne scheiterten jedoch am Widerstand der Pharmaindustrie.
Die Ankündigung des US-Präsidenten setzt die Branche nun unter Druck. „Die USA sind der wichtigste Markt für innovative Arzneimittel“, sagt Han Steutel, Präsident des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa). „Ohne die Erlöse in den Vereinigten Staaten wären Forschung und Entwicklung, wären neue Therapien auch für europäische Patientinnen und Patienten vielfach nicht denkbar. Was jetzt in den USA entschieden wurde, hat Folgen für die ganze Welt.“
Mit einer internationalen Referenzierung auf den jeweils niedrigsten Preis ließen sich Forschungskosten nicht bezahlen und Markteinführungen könnten zunehmend infrage gestellt werden, so Steutel. Nötig sei nun ein starker, gemeinsamer EU-Markt mit einer abgestimmten Arzneimittelpolitik.
Auch die Beratungsgesellschaft Simon-Kucher erwartet weitreichende Auswirkungen auf die globale Pharmaindustrie und deutsche Unternehmen. „Eine sinkende Ertragslage gefährdet die Mittel für Forschung, Produktion und Arbeitsplätze auch an deutschen Standorten“, heißt es in einer Studie.
Mit einem Umsatzrückgang in den USA steige zudem der Druck für Unternehmen, höhere Preise in anderen Industrienationen wie Deutschland zu erzielen. Ferner könnten Pharmafirmen den Markteintritt in Deutschland oder Europa verzögern oder gar nicht erst vornehmen, um niedrige Preisreferenzen zu vermeiden und somit den Preis in den USA zu schützen, so Simon-Kucher.
An anderer Stelle wollen Trumps Republikaner viele US-Bürger bei den Gesundheitskosten nicht entlasten, sondern zusätzlich belasten. Ein vorgestern vorgestellter Entwurf für das Bundesbudget sieht im kommenden Jahrzehnt Kürzungen von mehr als 700 Milliarden Dollar für das Gesundheitsprogramm Medicaid vor, von dem insbesondere einkommensschwache Amerikaner profitieren.
Dadurch könnten nach Einschätzungen des Kongresses mindestens 8,6 Millionen US-Bürger bis 2034 ihre Krankenversicherung verlieren.
Der einflussreiche demokratische Abgeordnete Frank Pallone sagte, damit schneide Trumps Regierung kein Fett an den Rändern weg, sondern es gehe „bis auf den Knochen“. Die geplanten Kürzungen bei Medicaid sind Teil eines umfassenden Budgetpakets. Damit sollen die von Trump in Aussicht gestellten Steuererleichterungen in Milliardenhöhe gegenfinanziert und zugleich der US-Grenzschutz ausgebaut werden.
Dauerthema Arzneimittelpreise
Die Kosten für Medikamente sind in den USA ein Dauerthema. Anders als in vielen anderen Industrieländern gibt es dort keine zentrale staatliche Preisregulierung. Die Preisgestaltung liegt weitgehend in der Hand der Pharmaunternehmen, was oft zu erheblich höheren Kosten als etwa in Europa führt.
So ermittelte eine Studie des US Think Tanks Rand Corporation, dass die Herstellerabgabepreise im Jahr 2022 278 Prozent des jeweiligen Durchschnittspreises von 33 OECD-Staaten betrugen. „Anders ausgedrückt, die Preise in anderen Ländern betrugen 36 Prozent – oder etwas mehr als ein Drittel – der Preise in den USA“, heißt es darin.
Im Vergleich zu Deutschland liegen die Preise in den USA demnach sogar bei 294 Prozent des hiesigen Preises, in Frankreich waren es 326 Prozent. Den größten Unterschied gab es zu Japan mit 347 Prozent.
Allerdings würden sich im Detail enorme Unterschiede zwischen patentgeschützten und generischen Arzneimitteln zeigen. Die Preise patentgeschützter Arzneimittel betrugen demnach in den USA 422 Prozent des Durchschnitts der anderen Staaten, während die Preise für Generika mit 67 Prozent von deren Durchschnitt sogar günstiger waren.
Eine Preisregulierung durch Verhandlungen der öffentlichen Krankenversicherung Medicare mit den Herstellern war unter Trumps Vorgänger Joe Biden eingeführt worden. Einer Studie aus dem Fachjournal JAMA (2024; DOI: 10.1001/jama.2024.22582) vom vergangenen Oktober zufolge kam es bei den ersten zehn untersuchten Medikamenten zu einer Preissenkung zwischen acht und 42 Prozent.
Dabei zeigten sich aber im Vergleich zu anderen Industrieländern an konkreten Beispielen die teils enormen Unterschiede. So lag beispielsweise der Preis des Biologikums Ustekinumab gegen Psoriasis und Morbus Crohn in den USA bei 4.695 US-Dollar (4.216 Euro) für eine Monatspackung. In Deutschland koste diese 2.503,99 US-Dollar (2.248,67 Euro). Beim Entzündungshemmer Etanercept lagen die Preise bei 2.355 US-Dollar (2.114,87 Euro) in den USA gegenüber 974,25 US-Dollar (874,91 Euro) hierzulande.
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