US-Gesundheitsminister droht: NIH-Wissenschaftler veröffentlichen nicht mehr in großen Journals

Washington – Der US-amerikanische Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. hat angedroht, dass Forschende der National Institutes of Health (NIH) künftig nicht mehr in renommierten Medizinjournals veröffentlichen könnten. Das sagte er vergangene Woche in einem Podcast.
„Wir hören wahrscheinlich auf, in The Lancet, New England Journal of Medicine, JAMA, und anderen Fachzeitschriften zu veröffentlichen, weil sie alle korrupt sind“, so der Politiker. Er warf den Fachzeitschriften zum wiederholten Mal vor, von der Pharmaindustrie dominiert zu werden. Man wolle das System nun verändern.
Sollten sich die etablierten Journals nicht dramatisch ändern, werde man Publikationen von NIH-Wissenschaftlern stoppen und eigene Zeitschriften zu Gesundheitsthemen etablieren, kündigte er an. Bei den NIH solle zudem künftig ein Fokus auf der Replikation von Studienergebnissen liegen.
Das Interview gab Kennedy dem Podcast „The Ultimate Human“ von Gary Brecke, der sich auf seiner Webseite unter anderem als Biohacker und Longevity-Experte beschreibt. Das Gespräch wird mehrfach durch Werbung Breckes für Wellnessprodukte unterbrochen.
Auch hierzulande reagierten Fachleute empört auf Kennedys Drohung. Die Süddeutsche Zeitung etwa zitierte den wissenschaftlichen Direktor des Helmholtz-Zentrums München und designierten Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität München, Matthias Tschöp, mit den Worten: „Ein solcher Schritt wäre eine Selbstschädigung des amerikanischen Wissenschaftssystems, aber auch ein Frontalangriff auf die Wissenschaftsfreiheit.“
In dem Interview bekräftigt Kennedy außerdem, dass der „Krieg“ der Zulassungsbehörde FDA gegen Alternativmedizin beendet werden solle. Die Behörde solle auch zu Themen wie Stammzellen und Vitaminen Studien durchführen und die Öffentlichkeit darüber informieren – aber nicht vorschreiben, was Ärzte verschreiben können.
„Wenn du ein experimentelles Medikament nehmen willst, dann solltest du das tun können“, so Kennedy. Er argumentierte auch mit einer persönlichen Erfahrung: Warum habe er nach Antigua fahren müssen, um wegen seiner Stimmbanderkrankung Stammzellen zu bekommen?
Zustände wie im „Wilden Westen“ wolle er aber nicht, so Kennedy: Informationen sollen verfügbar sein, aber es gelte, die Intelligenz der US-Bürger zu respektieren. Scharlatane und negative Ergebnisse ließen sich ohnehin nicht verhindern, sagte er.
Es ist nicht der erste Angriff des US-Gesundheitsministers auf die traditionsreichen Fachzeitschriften. Erst kürzlich hatte das dortige Gesundheitsministerium einen Bericht zum Thema Kindergesundheit vorgelegt, in dem eine Übermedikalisierung bei Kindern und Jugendlichen als einer der problematischen Faktoren neben Ernährung, Umweltchemikalien und dem Digitalzeitalter benannt wird.
Den Journals wird darin vorgeworfen, verzerrte Forschung und irreführende Informationen zu verbreiten. Peer-Review-Verfahren werden als ineffektiv und voreingenommen dargestellt. Der Report steht jedoch selbst in der Kritik, da mehrere der zitierten Studien nach Angaben von Wissenschaftlern nicht existieren. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete. Das Weiße Haus sprach von Formatierungsfehlern.
Mehrere Journals hatten kürzlich auch Briefe von der US-Justiz erhalten, die als Drohgebärde verstanden werden konnten.
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