Ausland

US-Gesundheitsminister will sämtliche Mitglieder von wichtigem Impfgremium austauschen

  • Dienstag, 10. Juni 2025
Robert F. Kennedy Jr., US-amerikanischer Gesundheitsminister /picture alliance, Anadolu, Nathan Posner
Robert F. Kennedy Jr., US-amerikanischer Gesundheitsminister /picture alliance, Anadolu, Nathan Posner

Washington – Der US-amerikanische Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. hat die Entlassung sämtlicher Mitglieder des für Impfempfehlungen zuständigen Beratungsgremiums angekündigt. Grund sind angebliche Interessenkonflikte. Alle 17 Experten des Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) sollen ausgetauscht werden, wie das US-Gesundheitsministerium gestern mitteilte.

In der Ankündigung war von einem kühnen Schritt die Rede, der nötig sei, um das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherzustellen. Dies habe Vorrang vor einer spezifischen „Pro- oder Anti-Impfstoff-Agenda“, erklärte Kennedy, der in der Vergangenheit wiederholt mit Falschinformationen über Impfstoffe auffiel.

Fachleute aus der Medizin reagierten besorgt und empört. „Alle ACIP-Mitglieder auf einmal abzusetzen, entspricht nicht der Funktionsweise von Demokratien und ist nicht gut für die Gesundheit der Nation“, betonte die American Public Health Assocation. Die Maßnahme sei beispiellos und werde noch mehr Verwirrung für Familien stiften, kritisierte die Präsidentin der American Academy of Pediatrics, Susan Kressly.

Das American College of Physicians rief die Regierung auf, den Schritt rückgängig zu machen: „Die heutige Ankündigung wird das öffentliche Vertrauen in die Fähigkeit unserer Regierung, die Gesundheit der amerikanischen Bevölkerung zu gewährleisten, ernsthaft untergraben und die Sicherheit, das Wohlergehen und das Leben unserer Patienten gefährden.“

Die American Medical Association betonte, dass nun ein transparentes Verfahren, das unzählige Leben gerettet habe, infrage gestellt werde. Eine weitere Ausbreitung impfpräventabler Erkrankungen sei zu befürchten. Die USA erleben seit mehreren Wochen bereits einen der größten Masernausbrüche der vergangenen Jahre, was auf gesunkene Impfquoten bei Kindern zurückgeführt wird.

Kennedy wirft der ACIP vor, bisher lediglich die Pläne der Industrie durchgewunken zu haben. „Die Öffentlichkeit muss wissen, dass die Empfehlungen unserer Gesundheitsbehörden von unvoreingenommenen wissenschaftlichen Erkenntnissen geleitet werden, die in einem transparenten Verfahren bewertet werden und keinen Interessenkonflikten ausgesetzt sind“, erklärte das Ministerium.

Die Vorwürfe gegen das Expertengremium seien „völlig unbegründet“, sagte Tina Tan, Vorsitzende der Infectious Diseases Society of America. „Die einseitige Abberufung eines ganzen Expertengremiums ist rücksichtslos, kurzsichtig und äußerst schädlich.“

Wenn Kennedys Schritt dazu führe, dass Impfstoffe nicht empfohlen werden, könnten Millionen von Menschen den Zugang zu ihnen verlieren, mehr für Impfstoffe und vermeidbare Krankheiten bezahlen und Kinder einem größeren Risiko von Krankheiten ausgesetzt sein, mit denen man seit Jahrzehnten nicht mehr konfrontiert gewesen sei, mahnte der ehemalige CDC-Direktor Tom Frieden beim Onlinedienst X.

Erst kürzlich hatte die für Arzneimittelzulassungen zuständige US-Behörde Food and Drug Administration (FDA) Einschränkungen zu COVID-19-Impfstoffen bekanntgegeben, was als Vordringen in den Zuständigkeitsbereich des ACIP kritisiert worden war. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete.

Biden-Regierung hatte 2024 noch Mitglieder neu berufen

Die betroffenen ACIP-Mitglieder sind noch von der vorherigen US-Regierung des Demokraten Joe Biden ernannt worden, 13 von ihnen erst im vergangenen Jahr. Dadurch hätte die neue Regierung von US-Präsident Donald Trump bis 2028 keine Mehrheit in dem Ausschuss erlangen können, wie das Ministerium erklärte.

Die künftigen Mitglieder des Gremiums sind noch nicht benannt. Fachleute befürchten aber, dass nun impfskeptische Positionen dort Einzug halten, und dies womöglich in Kürze: Nach Angaben des Gesundheitsministeriums soll der nächste geplante Termin einer ACIP-Sitzung am 25. Juni bestehen bleiben.

Dass die neue US-Regierung das Gremium stark verändern würde, war schon vor Kennedys Ernennung zum Minister befürchtet worden. Wiederholt kritisierte er beispielsweise die Länge der Liste der für Kinder empfohlenen Routineimpfungen. Mit einer Neubesetzung des Gremiums ließe sich dies beispielsweise künftig beeinflussen.

Früher war der Spross der berühmten Kennedy-Familie ein angesehener Anwalt für Umweltrecht, bevor er zunehmend mit Verschwörungserzählungen für Aufmerksamkeit sorgte. In der Vergangenheit vertrat er zudem wiederholt die widerlegte Theorie, Impfungen in der Kindheit führten zu Autismus. Im April gab er eine Untersuchung dazu in Auftrag.

ggr/afp/dpa

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