US-Justiz fragt Medizin-Fachzeitschriften nach angeblicher Voreingenommenheit

Berlin/Washington – Mehrere US-amerikanische Medizin-Fachzeitschriften haben Berichten zufolge Schreiben der US-amerikanischen Justiz mit Fragen zum Vorwurf der Voreingenommenheit erhalten. Die Schreiben eines von US-Präsident Donald Trump ernannten Staatsanwaltes wurden teils als Einschüchterungsversuch eingeordnet (BMJ 2025; DOI: 10.1136/bmj.r812).
Offenbar haben mehrere Journals unterschiedlicher Fachrichtungen ähnliche Fragen erhalten. Darunter ist auch das New England Journal of Medicine (NEJM), wie das US-amerikanische Fachportal Stat berichtet. Science und JAMA hätten eine Anfrage zum Thema nicht beantwortet, auch das US-Justizministerium habe nicht reagiert. The Lancet habe berichtet, keinen solchen Brief erhalten zu haben.
Den Medienberichten zufolge nimmt der Staatsanwalt in dem Brief nicht etwa Bezug auf bestimmte Inhalte, die in den Zeitschriften publiziert wurden. Vielmehr heißt es allgemein, ihm sei zu Ohren gekommen, dass immer mehr Zeitschriften zugäben, in verschiedenen wissenschaftlichen Debatten parteiisch zu sein.
Dann folgen Fragen an den Chefredakteur, zum Beispiel danach, ob Artikel oder Essays aus widerstreitenden Blickwinkeln akzeptiert würden. Zudem will der Absender wissen, inwieweit eine möglichen Beeinflussung von Standpunkten des Journals durch beispielsweise Werbekunden und Sponsoren publik gemacht werde.
Einer der Briefe, der an das Fachblatt für Thoraxmedizin Chest der Vereinigung American College of Chest Physicians (CHEST) adressiert worden sein soll, ist in Gänze auf der Plattform X veröffentlicht worden, allerdings nicht von der Redaktion selbst. Diese reagierte laut dem BMJ-Beitrag erst später mit einem Statement, in dem unter anderem auf die ethischen Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors (ICJME) verwiesen wird.
„Das ist eine eklatante politische Einschüchterung unserer medizinischen Fachzeitschriften, das ist absolut Orwell'sches Zeug“, schrieb der Lungenfacharzt Adam Gaffney auf X, der nach eigenen Angaben in Chest veröffentlicht hat.
Das NEJM gab dem Portal Stat zufolge an, dass es den Brief mit der Betonung des eigenen Commitments zu evidenzbasierten Empfehlungen und redaktioneller Unabhängigkeit beantwortet habe. Chefredakteur Eric Rubin habe zudem etwa auf das strenge Peer-Review- und Redaktionsverfahren verwiesen, mit der die Objektivität und Zuverlässigkeit der veröffentlichten Forschungsergebnisse gewährleistet werde.
Der frühere Chefredakteur von Science, Jeremy Berg, sagte Stat, dass es sich offenbar um Einschüchterungsversuche handle, die darauf abzielten, dass die Zeitschriften sich stärker um alternative, nicht wissenschaftlich fundierte Perspektiven sorgten. Er wertete diese Bestrebungen aber nicht als erfolgversprechend.
US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. hat medizinische Fachzeitschriften in der Vergangenheit scharf kritisiert. In einem Podcast im Vorjahr habe er Journals mit einer Strafverfolgung wegen Korruption gedroht, heißt es im BMJ. Er behauptete demnach, es würden falsche pharmazeutische Erkenntnisse statt „echter Wissenschaft“ veröffentlicht.
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