Ausland

US-Report fordert intensive Suche nach Krankheitserregern in Abwässern

  • Donnerstag, 2. Februar 2023
/Microgen, stock.adobe.com
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Washington – Der Erfolg der Abwassersurveillance auf SARS-CoV-2, die in den USA mittlerweile in vielen Großstädten betrieben wird, hat die Wissenschaftsakademie des Landes motiviert, in einem Report eine Aus­weitung auf andere Krankheitserreger anzuregen, die von einigen Gesundheitsbehörden des Landes bereits erprobt wird.

Über die Toilette gelangen Krankheitserreger in die Abwässer und erreichen nach kurzer Zeit die Klärwerke. Dort wird bereits seit längerem nach Polioviren gesucht. Die Viren wurden erstmals in den 1940er Jahren in den Abwässern nachgewiesen. Die bakteriologischen Analysen waren jedoch langezeit aufwendig. Heute ist es mit der Polymerasekettenreaktion relativ kostengünstig möglich, nach der DNA oder RNA beliebiger Erreger zu suchen.

Die Poliosurveillance wurde in den letzen beiden Jahrzehnten deutlich ausgeweitet. Laut WHO gibt es mittler­weile in 45 Ländern mehr als 550 Stellen, in denen regelmäßig nach Polioviren gesucht wird. Zuletzt mit Erfolg.

In London wurden im vergangenen Jahr in einem Klärwerk Polioviren aufgespürt, die auf menschliche Infek­tio­nen in der Metropole hindeutenden, da das Virus nur beim Menschen (und wenigen anderen Primaten vor­kommt). Auch im US-Staat New York wurden Polioviren in Abwässern gefunden. Zuvor war ein Erkrankungsfall in einer Stadt mit einen hohen Anteil von ungeimpften Personen aufgetreten.

In den USA haben die Centers for Disease Control and Prevention bereits 2020 mit einer Surveillance von SARS-CoV-2 begonnen. Im Oktober 2022 umfasste das „National Wastewater Surveillance System“ (NWSS) mehr als 1.250 Entnahmestellen, die eine Bevölkerung von mehr als 133 Millionen abdecken. In Europa befindet sich ein ähnliches System (ESI-CorA) im Aufbau.

Aus Sicht der "National Academies of Sciences, Engineering and Medicine“ hat sich die Abwasser-Surveillance auf SARS-CoV-2 bewährt. Die Daten hätten die Gesundheitsbehörden auf den drohenden Anstieg der Erkrankungen hingewiesen und ermöglicht, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Bedeutung könnte in Zukunft steigen, wenn, wie derzeit der Fall, immer weniger Erkrankungen gemeldet würden.

Inzwischen erproben einige US-Staaten, ob das Abwasser-Screening auf andere Erreger ausgeweitet werden kann. Das „California Department of Public Health“ hat probeweise begonnen, nach saisonalen Krankheitserregern wie dem respiratorischen Syncytial-Virus (RSV) oder nach Influenzaviren zu suchen, um die jährlichen Epidemien frühzeitig zu erkennen. Selbst das Mpox-Virus war laut einem Bericht im New England Journal of Medicine (2023; DOI: 10.1056/NEJMc2213882) innerhalb weniger Tage nach den ersten Erkrankungen in den Abwässern nachweisbar.

Die US-Akademien nennen in ihrem Report weitere Anwendungsbeispiele. So könnte sich die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen verfolgen lassen. Durch den Nachweis des mcr-1-Gens könnte eine Resistenz auf Colestin erkannt werden, das bei vielen Erreger eines der letzten Reserve-Antibiotika ist. Ein Screening wäre laut dem Report möglich, auch wenn noch einige technische Schwierigkeiten zu überwinden wären.

Auch das Enterovirus D68, das (in seltenen Fällen) Polio-ähnliche Symptome auslösen kann, wäre ein Kandidat für eine Surveillance. Der Report hält eine Surveillance ebenfalls für technisch umsetzbar. Unklar ist dies derzeit für Candida auris, einem Hefepilz, der gegen die meisten Fungizide resistent ist.

Im Prinzip kann der Erreger wie alle Mikroorganismen mit der PCR-Methode nachgewiesen werden. Ohne Nachweis­verfahren sind derzeit Prione, die Auslöser einer Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sind. Auch hier wäre ein Screening laut dem Report im Prinzip wünschenswert.

Eine Ausweitung der Surveillance dürfte nicht unumstritten sein. Teile der Bevölkerung könnten sich überwacht fühlen. Die US-Akademien regen deshalb die Bildung einer Ethikkommission an, um Richtlinien vorzuschlagen, wie die Daten anonym weitergegeben werden können. Das System müsse mit einer „starken Firewall“ versehen werden, um die Verwendung von Daten durch die Strafverfolgungsbehörden zu verhindern, heißt es in dem Report.

rme

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