Weltweit fast 50 Millionen Kinder auf der Flucht

New York – Weltweit haben fast 50 Millionen Kinder ihre Heimat verlassen, 28 Millionen von ihnen sind auf der Flucht vor Gewalt, Krieg und Konflikten. Darauf hat das Hilfswerk der Vereinten Nationen (UN) Unicef hingewiesen. Anlässlich des Weltgipfels zu Flucht und Migration am 19. und 20. September in New York forderte das Hilfswerk die Regierungen dazu auf, diese Krise der Kinder zu stoppen.
„Kein Land kann die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Herausforderungen der weltweiten Bevölkerungsbewegungen allein lösen. Bei der Suche nach globalen Antworten muss dem Schutz der Kinder besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden“, sagte der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider, in New York.
Unicef nannte sechs zentrale Ziele für Kinder, die Regierungen unbedingt unterstützen sollten: Zunächst gelte es, geflüchtete und migrierte Kinder vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen, insbesondere unbegleitete Kinder. „In diesem Zusammenhang ist nicht nur eine bessere Umsetzung des bestehenden Rechts notwendig, sondern auch eine systematische Unterstützung für Flüchtlingskinder durch den Einsatz qualifizierter rechtlicher Vertreter“, forderte Unicef.
Zweitens sollten die Regierungen dafür sorgen, dass Kinder nicht aufgrund ihres Aufenthaltsstatus inhaftiert würden. „Eine Inhaftierung von Kindern hat oft schwerwiegende negative Auswirkungen auf ihre Entwicklung“, warnte das Hilfswerk. Daher sollten stets Alternativen zur Haft angewendet werden, beispielsweise das Einbehalten des Passes, Meldeauflagen, das Verbürgen von Familienmitgliedern oder eines rechtlichen Vertreters und anderes.
Drittens sei zu verhindern, dass Kinder bei Grenzkontrollen oder während des Verfahrens zur Bestimmung des Aufenthaltsstatus von ihren Eltern getrennt würden. „Neben der Beschleunigung der behördlichen Verfahren muss die Zusammenführung von Kindern mit ihren Familien in den Zielländern vereinfacht werden“, forderte Unicef.
Wichtig sei viertens, die Kinder medizinisch adäquat zu versorgen und ihnen Zugang zu Bildung und psychosozialer Betreuung zu gewähren. „Dies ist nicht nur eine kollektive Verantwortung, sondern liegt auch im eigenen Interesse jeder Gesellschaft. Der Aufenthaltsstatus und -ort eines Kindes darf hierbei niemals ein Hindernis sein“, so das Hilfswerk.
Fluchtursachen intensiv zu bekämpfen und – sechstens – gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung anzugehen, sind weitere Forderungen des Hilfswerkes. „Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Gemeinden, Kirchen, der Privatwirtschaft und politische Entscheidungsträger müssen ein breites Bündnis bilden, das Verantwortung übernimmt, um Hass und Ablehnung gegenüber Flüchtlingen vorzubeugen“, forderte Unicef.
Im Vorfeld des Gipfels hatte auch die Welthungerhilfe betont, Flucht und Migration seien eine internationale Herausforderung, die nur solidarisch gelöst werden könne. Derzeitige nationale oder auch regionale Antworten seien bei weitem nicht ausreichend. Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, äußerte sich besorgt. „Die Welt hat sich stark verändert, das merken wir auch daran, wie sich unsere Arbeit parallel gewandelt hat.“
Die Hälfte ihres Budgets gibt die Nichtregierungsorganisation mittlerweile für humanitäre Hilfe aus. „Das wollen wir in Zukunft reduzieren und uns wieder auf die Hungerhilfe konzentrieren“, hofft Dieckmann. Humanitäre Hilfe sei notwendig und müsse in vielen Ländern noch verstärkt werden, sie könne aber die Hauptfluchtursache, politische Konflikte und Krieg, nicht lösen.
Positiv ist laut Hungerhilfe, dass im Gegensatz zum vergangenen Jahr die Finanzen für das Weltfoodprogramm gesichert sind. In Zusammenarbeit unter anderem mit Ärzte ohne Grenzen setzt sich die Organisation auch für die medizinische Versorgung beispielsweise in Syrien, der Türkei, im Nordirak, Libanon oder Afghanistan ein. Dennoch herrtschen selbst in der Türkei für deutsche Verhältnisse teilweise unzumutbare Zustände, kritisierte Dieckmann.
Die medizinische Versorgung sei aber längst nicht so prekär, wie etwa in Aleppo. „Wir versuchen die Flüchtlinge vor allem mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen“, so Dieckmann. Jeder Tag, an dem Waffenruhe herrsche, sei ein guter Tag, da nur dann die Hilfstransporte durchkämen.
Heute findet in New York die erste UN-Sondervollversammlung zu Flucht und Migration statt. Bei dem Gipfeltreffen wollen die Delegierten Lösungsansätze für die globale Flüchtlingskrise erarbeiten. Die Bundesregierung wird durch Entwicklungshilfeminister Gerd Müller vertreten. Für Morgen hat US-Präsident Barack Obama zu einem Flüchtlingsgipfel eingeladen. An dem Treffen nehmen Regierungsvertreter aus Deutschland, Kanada, Äthiopien, Jordanien, Mexiko und Schweden sowie UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon teil. Für die Bundesregierung wird Außenminister Frank Walter Steinmeier dabei sein.
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