Zehn Jahre nach Ebola-Epidemie in Westafrika: Fortschritte, aber auch Probleme

Berlin – Zehn Jahre nach dem verheerenden Ebola-Ausbruch in Westafrika sieht einer der damaligen humanitären Helfer von Ärzte ohne Grenzen Fortschritte im Kampf gegen die Erkrankung, aber auch anhaltende Schwierigkeiten.
„Wir haben einerseits eine positive Entwicklung: Wir verzeichnen wissenschaftliche Erfolge wie Ebola-Impfstoffe, neue Medikamente und bessere Strategien im Umgang mit der Krankheit. Zudem ist die internationale Aufmerksamkeit für das Thema gewachsen", sagte der Epidemiologe Maximilian Gertler dem Deutschen Ärzteblatt.
Andererseits seien beispielsweise die mittlerweile verfügbaren Therapeutika nicht ausreichend für ärmere Länder verfügbar. „Es bräuchte eine Art Notfallvorrat, auf den öffentliche Organe bei Bedarf zugreifen können, unabhängig von Interessen privater Lizenzinhaber“, sagte der Internist und Tropenmediziner vom Zentrum für Globale Gesundheit der Charité in Berlin.
Wie Ärzte ohne Grenzen im Frühjahr mitgeteilt hatte, erhielt bei fünf Ausbrüchen seit 2020 nur ein Drittel der Patienten eines der beiden Medikamente.
Das sei zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass die Produkte dort, wo die Ausbrüche am häufigsten auftreten, nicht ohne weiteres verfügbar sind.
Bei den beiden vorhandenen Therapeutika wisse man seit Ende 2019, dass sie die Sterblichkeit deutlich senkten, sagte Gertler (DOI: 10.1056/NEJMe1915350).
„Für den Einsatz sind zwar gute Bedingungen vor Ort nötig. Aber diese Antikörperpräparate zu haben, ist auf jeden Fall ein großer Erfolg.“ Zuvor standen Medizinerinnen und Medizinern bei Ebola nur supportive Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Mehrere kleinere Ausbrüche der vergangenen fünf bis zehn Jahre zeigen für Gertler, dass inzwischen eine größere Aufmerksamkeit für das Thema besteht als noch vor zehn Jahren, national wie international.
„Neben der erneut großen Epidemie mit über 3.000 Fällen im Bürgerkriegsgebiet des Ostkongo von 2018-2020 gab es etliche Ausbrüche mit niedrigen zweistelligen Fallzahlen. Diese konnten schnell erkannt und eingedämmt werden.“
Internationale Hilfe kam spät
Gertler war im Frühjahr 2014 – Monate bevor die WHO die Gesundheitsnotlage internationaler Tragweite ausrief – hauptsächlich in Guinea im Einsatz. „Vor Ort war zu der Zeit schon zu spüren, dass der Ausbruch außer Kontrolle gerät, aber international war das Thema überhaupt nicht auf der Agenda. Der Fokus der Öffentlichkeit lag auf der damaligen Fußball-Weltmeisterschaft.“
„Meine Aufgabe war vor allem, den Epidemieverlauf zu verstehen. Bei neuen Fällen fuhren wir in kleinen Teams in die Dörfer, um herauszufinden, wie sich die Betroffenen möglicherweise angesteckt hatten“, berichtete Gertler. Es sei darum gegangen, noch unbekannte Infektionsketten und Kontaktpersonen aufzuspüren und sie ins Behandlungszentrum zu bringen, wenn sie erkrankten. „Das hat so lange funktioniert, wie die Fallzahlen noch beherrschbar waren.“
Später sei die Lage etwa in Monrovia explodiert. „Liberia war gruselig zu dem Zeitpunkt. In jedem Dorf, durch das man kam, sah man Beerdigungszüge. Vor allem die rasche und weite Verbreitung überstieg unsere Möglichkeiten, obwohl wir zu dem Zeitpunkt schon sechs Behandlungszentren hatten, in denen im Sommer 2014 mehr gestorben als behandelt wurde“, erinnert sich der Mediziner. Damals habe noch die Marke von 1.000 Fällen als enorm gegolten.
Leid betroffener Bevölkerungen von Deutschland aus weit weg
Im Sommer 2014 schlug Ärzte ohne Grenzen zum wiederholten Mal Alarm. Doch es habe wenig Resonanz gegeben. „Wir haben uns allein gelassen gefühlt. Wir mussten oft Todkranke zurückweisen, weil unser Behandlungszentrum überfüllt war. Die Leidtragenden waren die betroffenen Bevölkerungen.“
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland habe er gemerkt, dass das Thema den Menschen sehr weit weg erschien, sagte Gertler, der am Robert-Koch-Institut (RKI) tätig war. „Damals hätte man sich international längst vorbereiten müssen, auch um mehr Helfer für den Einsatz auszubilden.“ Internationale Reaktionen seien aber erst nach Ebola-Fällen auch in den USA und Spanien erfolgt, letzlich zu zögerlich.
Als im Dezember 2014 ein deutsches Behandlungszentrum in Monrovia eröffnete, habe es dort bereits keine Fälle mehr gegeben, sagte Gertler. „Gerade in Deutschland war die Reaktion unerträglich langsam und bürokratisch.“ Sie sei dann mit einem Ebola-Botschafter und einer fliegenden Isolierstation sehr gut verkauft worden, „aber das ging auch am Bedarf in den betroffenen Ländern vorbei“, so der Mediziner.
„Gerettet haben sich die Leute vor Ort hauptsächlich selbst: mit Abstand halten, oft grausamem Isolieren der Erkrankten, sicherem Bestatten der Verstorbenen, Gesundheitsaufklärung, Kontaktpersonennachverfolgung – vermeintlich glanzloser Prävention.“
Nach dem Ausbruch von damals wurden auch Lösungen entwickelt, die die Zeit der Isolation für alle Beteiligten erträglicher machen sollten – und die auch darauf hinwirken sollten, dass Erkrankte eher ein Behandlungszentrum aufsuchen.
So entwickelte eine Nichtregierungsorganisation spezielle mobile Einheiten, die CUBE oder Biosecure Emergency Care Unit genannt werden: ein transparenter Kubus, in dem Patienten isoliert werden. Die Überwachung und manche andere Tätigkeiten sind dadurch für die Behandelnden ohne das aufwendige Anlegen einer persönlicher Schutzausrüstung möglich, zudem könnne Angehörige den Erkrankten sehen. (DOI: 10.1016/S0140-6736(18)33118-0)
WHO räumte Fehler ein
Die WHO selbst hatte bereits 2015 schwere Fehler bei der Bekämpfung der Epidemie eingestanden und einen besseren Umgang mit Seuchen versprochen. „Aus heutiger Sicht hätten wir bei Ärzte ohne Grenzen vielleicht zusätzlich zu den Forderungen nach internationaler Unterstützung noch besser die übertriebene Angst vor Ebola adressieren sollen“, sagte Gertler.
Die politischen Forderungen seien teils bis hin zu einer Abriegelung der betroffenen Länder gegangen. „Damals fehlte es hiesigen Experten an praktischen Erfahrungen. Heute brauchen wir vor allem mehr politischen Willen, Gesundheit global und tatsächlich zu schützen.“
Ebolafieber kann durch verschiedene Ebolaviren ausgelöst werden. Es hängt auch vom vorliegenden Erreger ab, wie hoch der Anteil der tödlichen Verläufe ist (nach RKI-Angaben zwischen 30 bis 90 Prozent). Bei Menschen, die Ebola überlebten, wird etwa in einer Studie in Lancet – Infectious Diseases in eine Immunität dagegen für mindestens einige Jahre nach der Infektion angenommen (DOI: 10.1016/S1473-3099(20)30793-3).
Zu den Folgeerkrankungen, die bei Überlebenden der Epidemie beobachtet wurden, gehörten unter anderem Arthritis und das Sehvermögen bedrohende Uveitis, wie Forschende 2016 ebenfalls in Lancet – Infectious Diseases festhielten (DOI: 10.1016/S1473-3099(16)00077-3). Hinzu kämen Belastungen für die psychischen Gesundheit.
Auch kann das Virus nach der Genesung in Körperflüssigkeiten wie Sperma überdauern. Im Fall einer Reaktivierung sind Weiterübertragungen möglich. Das RKI spricht auf seiner Webseite von „Wiederaufflammen-Clustern“, die nach vielen großen Ebolaausbrüchen berichtet würden.
Vergangenen Herbst hatte die unabhängige Beobachtungsstelle Gesundheitskrisenvorsorge (GPMB) in einem Bericht festgehalten, dass die Welt nach wie vor schlecht auf eine mögliche neue Gesundheitskrise oder Pandemie vorbereitet sei.
Im Zuge der Coronapandemie sei einiges getan worden, hält sie fest, aber manche Länder hätten ihre Vorkehrungen, um auf ähnliche Krisen schnell reagieren zu können, wieder zurückgefahren und in anderen Ländern gebe es kaum Fortschritte.
Die GPMB war 2018 von der WHO und der Weltbank unter anderem als Reaktion auf den Ebola-Ausbruch in Westafrika eingerichtet worden.
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