Blick ins Ausland

Angola: Der Tod gehört zum Alltag

  • Mittwoch, 10. März 2004

Wieder ein Land, das Bürgerkrieg und Ost-West-Konflikt in der Vergangenheit ausgezehrt und in weiten Teilen einer belastbaren Infrastruktur beraubt haben. Wieder sind es die Vertriebenen, hunderttausende von Flüchtlingen, die hungern und - zusammengepfercht in Flüchtlingslagern, weitgehend ohne medizinische Versorgung – versuchen zu überleben. Im April dieses Jahres haben Rebellen und Regierung in Angola ein Friedensabkommen geschlossen. Inzwischen ist es zum Teil wieder möglich, Regionen zu erreichen, die während des Bürgerkrieges nicht versorgt werden konnten. Eine Gefahr aber bleibt: Weltweit ist wohl kaum ein Land so übersät mit Personenminen wie Angola.

Die Anreise zu unserem Einsatzort ist voller Hindernisse. Flug Frankfurt – Johannesburg, Weiterflug Johannesburg- Luanda (die Hauptstadt Angolas), erster Zwischenfall: Eine angolanische Passagierin, im dritten Monat schwanger, leidet unter starken Unterleibsbeschwerden und Blutungen. Ein finnischer Kollege, eine norwegische Hebamme und ich untersuchen, beraten und versuchen, soweit wie möglich zu behandeln. Der Zustand der Patientin stabilisiert sich. In Luanda wartet bereits ein Krankenwagen.

Der Weiterflug nach Lubango morgens um fünf Uhr ist nicht möglich, weil das Flugzeug offenbar völlig überbucht ist. Man setzt uns auf eine Warteliste für den nächsten Tag - Diskussion zwecklos! Die Deutsche Botschaft nennt uns eine Kontaktperson, die uns bei der Organisation des Weiterfluges unterstützen soll. Doch der Kontaktmann erleidet einen Malariafieberanfall und ist „ans Bett gefesselt“. Trotz allem sitzen wir irgendwann endlich im Flugzeug nach Lubango. Nach einer katastrophalen fünfstündigen Autofahrt erreichen wir schließlich das Ziel unserer Reise, Matala.

Nun beginnt die eigentliche Arbeit. Wir arbeiten in Flüchtlingslagern und im örtlichen Krankenhaus, dass Krankenschwestern und –pfleger ohne ärztliche Unterstützung leiten. In den Lagern herrschen Armut, Verwahrlosung, Krankheit. Jeder Arzt behandelt etwa 80 bis 100 Patienten am Tag. Parasitäre Erkrankungen wie zum Beispiel Wurmerkrankungen, Diarrhöen unterschiedlichster Genese, Erkrankungen der Atmungsorgane (Pneumonien, Lungen-Tuberkulose, Bronchititiden), Hautkrankheiten wie Skabies, Psoriasis, Tinea vulgaris und Impetigo, Mangelerkrankungen (Eisen- und Vitamin- insbesondere Vitamin A- Mangel) dominieren. Aber wir sehen auch Tropenkrankheiten wie Malaria, Bilharziose, Dengue-Fieber, kutane Leishmaniose oder Frambösie - soweit wir dies bei den eingeschränkten diagnostischen Möglichkeiten beurteilen können. Außerdem stelle ich zum ersten Mal in meinem medizinischen Berufsleben einen Situs inversus fest.

Im Krankenhaus dominieren die schwereren Fälle. Die Versorgungslage ist schlecht, ein Angolaner wird derzeit im Durchschnitt 38 Jahre alt. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Patient, darunter viele Kinder, an einer zu spät erkannten oder behandelten Malaria oder an sonstigen Infektionen stirbt. Der Tod gehört zum Alltag. Das belastet uns mitteleuropäische Ärzte sehr, denn auch wir sind mangels diagnostischer und therapeutischer Mittel oft hilflos. Kinder, die wahrscheinlich aufgrund einer cerebralen Malaria krampfen, sind am folgenden Tag tot. Ein Mann spendet für seine Frau Blut. Wir versuchen ihre Malaria/Sepsis/Lungenentzündung „blind“ zu behandeln. Ohne Erfolg! Die Frau stirbt noch in der folgenden Nacht.

Die Patienten oder ihre Angehörigen müssen die von den Krankenschwestern oder -pflegern verordneten Medikamente in einer nahe gelegenen Apotheke besorgen, das heißt natürlich, dass sie diese auch bezahlen müssen. Die Verpflegung der Patienten obliegt ebenfalls den Angehörigen. Deshalb machen wir mehrfach die Erfahrung, dass eine Familie eine Krankenhauseinweisung ablehnt, weil sie nicht für die Verpflegung sorgen kann oder andere Familienangehörige, wie zum Beispiel Kinder, ansonsten unversorgt bleiben.

Ich hätte beispielsweise gerne einen jugendlichen Patienten mit Verdacht

Gerhard Trabert

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